Der Berg an ausrangierten Geräten wächst

Bürger horten zuhause fast 300 Millionen Smartphones, <?ZP?>Laptops und Tablets – Wertvolle Rohstoffe ungenutzt

14.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:24 Uhr

Eine Frau lässt ein ausgemustertes Handy von einem Automaten in einer MediaMarkt-Filiale schätzen. Dieser prüft das Gerät und ermittelt seinen Wert. Foto: Mirgeler, dpa-Archiv

Von Sandra Mönius

Ingolstadt/Berlin – 6600 Tonnen Aluminium, 1400 Tonnen Kobalt, 180 Tonnen Lithium, 140 Tonnen Magnesium – diese enormen Mengen an kritischen Rohstoffen liegen allein in Form von IT-Altgeräten in den Wohnungen der Bundesbürger. Dazu kommen geschätzt drei Tonnen Gold sowie Seltene Erden, Platin-Metalle und einiges mehr. „Die Deutschen haben einen gigantischen Rohstoffschatz in ihren Wohnungen“, sagte Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom.

Er stellte am Mittwoch die Ergebnisse einer Umfrage vor, nach der rund 210 Millionen Handys oder Smartphones, 49 Millionen Laptops und 26 Millionen Tablets ungenutzt herumliegen – mit einem Gesamtgewicht fünfmal so schwer wie der Berliner Fernsehturm und aneinandergelegt einer Länge vom Umfang des Äquators.

Ein Smartphone besteht zum Beispiel aus rund 60 verschiedenen Komponenten. „Die Herstellung benötigt viele Rohstoffe, Energie und Ressourcen. Werden sie länger genutzt, wirkt sich dies positiv auf ihren ökologischen Fußabdruck aus“, so Rohleder. „Auch vor dem Hintergrund immer wieder neu unterbrochener Lieferketten ist wichtig, dass wir die schon vorhandenen Rohstoffe in den Haushalten nicht brach liegen lassen. Noch funktionsfähige Smartphones, Tablets oder Laptops sollten weitergegeben und wiederverwendet werden, defekte Geräte gehören fachgerecht entsorgt und recycelt“, betonte Rohleder.

Rückgabeautomaten bei MediaMarktSaturn

Der Ingolstädter Handelsriese MediaMarktSaturn etwa bietet in seinen Märkten Rückgabeautomaten für Handys, Spielkonsolen oder Tablets. „Im Geschäftsjahr 2021/22 konnten so insgesamt über 70000 Geräte angekauft und entweder einer Wiederaufbereitung oder einem zertifizierten Recyclingprozess zugeführt werden“, teilte ein Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Seit Anfang Juli nehmen auch Supermärkte und Discounter Elektro-Altgeräte unter bestimmten Voraussetzungen an – nämlich dann, wenn die Läden eine Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern haben und mehrmals im Jahr oder dauerhaft Elektro- und Elektronikgeräte verkaufen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, reichen schon elektrische Zahnbürsten im Angebot. „Insgesamt müssen solche Möglichkeiten der Rückgabe noch viel bekannter gemacht werden. Es bedeutet keinen Aufwand, ein altes Gerät mit zum Einkaufen zu nehmen und dort abzugeben“, sagte der Bitkom-Geschäftsführer. So müssen die Händler Altgeräte mit Abmessungen bis zu 25 Zentimeter Kantenlänge auch ohne Neukauf eines Geräts annehmen. Die Rücknahmepflicht ist auf drei Geräte pro Geräteart beschränkt. Bei größeren Geräten wie Computern oder Fernsehern besteht die Rücknahmepflicht nur beim Kauf eines neuen Geräts der gleichen Art.

Doch die neuen Abgabestellen werden bislang nur zögerlich genutzt, wie eine dpa-Umfrage ergab. Der Rewe-Konzern, zu dem neben den gleichnamigen Supermärkten auch die Discountkette Penny gehört, räumte ein: „Von dem Angebot wurde bisher in unseren Märkten wenig Gebrauch gemacht.“ Bei Aldi hieß es, die Rücknahme von Elektroartikeln werde „nur in Maßen genutzt“. Und Lidl berichtete: „Wir haben bisher festgestellt, dass dieses Angebot verhalten angenommen wird.“

Dabei ist das Potenzial enorm: Insgesamt besitzen 87 Prozent der Deutschen nach Rohleders Worten wenigstens ein ungenutztes Handy oder Smartphone, 47 Prozent mindestens einen oder mehr ungenutzte Laptops und 20 Prozent ein oder mehr ausrangierte Tablets. Und die Nachfrage bleibt hoch: „Gerade zu Weihnachten wird extra viel Elektronik verschenkt“, sagte Rohleder. Und auch der MediaMarktSaturn-Sprecher betonte: „Tablets sind weiterhin sehr beliebt, und wir sind mit dem Geschäft zufrieden. Es gelingt uns zudem bisher gut, eine hohe Produktverfügbarkeit sicherzustellen.“

Entsorgung über Hausmüllist verboten

Immerhin 43 Prozent der Befragten haben sich im vergangenen Jahr von einem IT-Gerät getrennt. Die meisten haben es dabei bei einem Händler oder einer Sammelstelle zurückgegeben, andere haben es verkauft oder verschenkt. Ab und an landet ein aussortiertes Teil allerdings auch im Hausmüll – „doch das ist verboten, Elektronik gehört definitiv nicht in den Hausmüll“, so Rohleder.

Viele der Befragten wollen inzwischen auf mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit achten. So geben fast 80 Prozent an, auf eine längere Nutzungsdauer zu achten, knapp 60 Prozent setzen auf eine Reparatur statt auf einen Neukauf. „Das Bewusstsein und die Bereitschaft zu handeln, sind groß“, sagte der Bitkom-Geschäftsführer. Immerhin die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger ist offen für gebrauchte, aber neuwertig aufbereitete Geräte, sogenannte Refurbished-IT. 15 Prozent kaufen diese bereits. „Um die Kosten für Reparaturen zu reduzieren, sollte die Mehrwertsteuer auf Reparatur-Dienstleistungen abgesenkt werden“, forderte Rohleder. Auch eine nachhaltige öffentliche Beschaffung könne als Hebel genutzt werden.

DK