Echte Aufklärung unerwünscht?
Audi-Prozess: Ex-Vorstandsfrau berichtet, wie sie ausgegrenzt wurde

21.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:02 Uhr

Christine Hohmann-Dennhardt sagte als Zeugin vor Gericht aus. Foto: Hübner, Imago-Archiv

Von Horst Richter

Christine Hohmann-Dennhardt, ehemaliges Vorstandsmitglied bei Volkswagen für Recht und Compliance, berichtet im Audi-Prozess, wie sie sich als Chefaufklärerin unerwünscht fühlte - man habe ihr wichtige Informationen vorenthalten.



Ihr Abgang hatte damals für zahlreiche Schlagzeilen gesorgt: Christine Hohmann-Dennhardt, ab Januar 2016 als Vorstandsmitglied bei Volkswagen für Recht und Compliance zuständig, war bereits ein Jahr später wegen „unterschiedlicher Auffassungen über Verantwortlichkeiten“ wieder ausgeschieden. Als sie mit einer Abfindung – es sollen 12,5 Millionen Euro gewesen sein – ging, war vermutlich auch eine Schweigepflicht über die Hintergründe ein Teil des Auflösungsvertrags. Diese Abmachung gilt freilich nicht vor Gericht, wo die Ex-Vorstandsfrau am Dienstag als Zeugin im Münchner Dieselbetrugsprozess aussagte. Sie berichtete darüber, wie sie sich als Chefaufklärerin unerwünscht fühlte. VW ließ sie quasi am langen Arm verhungern, indem man ihr wichtige Informationen für ihre Arbeit vorenthielt.

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Der Prozess dreht sich bekanntlich um die Frage, wieso Dieselfahrzeuge von Audi, Porsche und VW auf der Rolle im Testmodus gesetzlich vorgegebene Grenzwerte einhielten, auf der Straße aber oft nicht. Auf der Anklagebank sitzen der frühere Audi-Chef Rupert Stadler, der Ex-Audi-Motorenentwickler sowie einstige Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie die ehemaligen Entwickler Henning L. und dessen damaliger Chef Giovanni P. Der Vorwurf lautet unter anderem auf Betrug.

Sind die Beschuldigten aber tatsächlich die Drahtzieher des Betrugs? Christine Hohmann-Dennhardt hatte kaum Möglichkeiten, als Vorstandsfrau für rechtliche Angelegenheiten Einblick in die Strukturen zu erhalten. Denn die studierte Juristin, frühere hessische Landesministerin und Verfassungsrichterin kam sich schon bald nach ihrem Amtsantritt ausgeschlossen vor, wie sie als Zeugin erzählte. Da gab es zum einen die von VW zur internen Aufarbeitung des Skandals bestellte Anwaltskanzlei Jones Day, die ausschließlich den Aufsichtsrat über ihre Erkenntnisse informierte – und auch das nicht in schriftlicher Form. Die Berichte nannten sich „mündliche Downloads“, Hohmann-Dennhardt musste bei den Vorträgen aber den Saal verlassen. Sie monierte das vergeblich. In Vorstandssitzungen erhielt sie nur Informationen von Technikern – mitunter von Entwicklern, die selbst an den Manipulationen beteiligt gewesen sein sollen.

Hohmann-Dennhardt durfte Gespräche in den USA nicht leiten

Ihre Ausgrenzung bekam Hohmann-Dennhardt auch bei einer Dienstreise in die USA zu spüren – dort war der Dieselskandal um manipulierte Abgastechnik im September 2015 aufgeflogen. Die Gespräche mit den dortigen Behörden durfte aber nicht sie leiten, denn es „wurde mir beschieden, dass Herr Döss die amerikanischen Verhandlungen führt“ – gemeint ist der jetzige VW-Rechtsvorstand Manfred Döss. Das hatte ihr VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch unmissverständlich erklärt, wie die Zeugin dem Gericht sagte.

Wollte Volkswagen sie nicht haben, weil die einstige Verfassungsrichterin eine gründlichere Aufklärung plante, als es der Konzernspitze lieb war? Diesen Verdacht hatten bereits die Verteidiger von Giovanni P. geäußert – sie wollen Informationen darüber haben, dass Jones Day die Vorstandsriege ausdrücklich ausklammern sollte, als es um die Verantwortlichkeiten beim Dieselbetrug ging.

Der Prozess geht diesen Mittwoch weiter

Rupert Stadler habe in Jones-Day-Befragungen abgestritten, von dem Betrug gewusst zu haben, sagte Christine Hohmann-Dennhardt im Zeugenstand. Er habe erklärt, seinen Ingenieuren vertraut zu haben. „Das erschien mit nachvollziehbar.“ Der Name von Wolfgang Hatz sei ebenfalls „nicht häufig genannt worden“, es sei nicht klar gewesen, ob er über die Manipulationen informiert gewesen sei. Giovanni P. habe das dagegen nicht bestritten, aber „er hat gesagt, dass alle davon gewusst haben“. Die damalige Vorstandsfrau sah ihre Arbeit mit der Zeit zunehmend untergraben, es habe immer wieder Kompetenzkonflikte gegeben, berichtete sie dem Gericht. „Das hatte ich mehrfach gerügt.“ Gebracht hat es letztlich nichts, sie schied folglich bald wieder bei Volkswagen aus.

Mit Thomas Steg war am Dienstag eine weitere VW-Größe als Zeuge geladen. Der 62-Jährige arbeitet seit 2012 als Generalbevollmächtigter des Konzerns für Außen- und Regierungsbeziehungen. Vor Gericht bewegte er sich weitgehend auf der Spur früherer hochrangiger Zeugen. Der Tenor: Die Aufklärung des Dieselskandals sei in der Konzernspitze mit „maximaler Offenheit und Transparenz ohne Rücksicht auf Personen“ betrieben worden. Die Vorgabe sei gewesen, „jeden Stein umzudrehen und alles aufzuklären“. Zur Aussage eines früheren Zeugen, wonach Steg den Dieselskandal allein als VW-Problem darstellen und die Geldbringer Audi und Porsche nach außen mit reiner Weste präsentieren wollte, machte der 62-Jährige Erinnerungslücken geltend. Der Prozess geht diesen Mittwoch weiter.

DK