„Asymmetrische Beweisaufnahme“
Verteidiger im Audi-Prozess monieren Verfahrensverlauf - Mehr als 100 Zeugen

26.05.2022 | Stand 22.09.2023, 22:53 Uhr

Weiter offen: Wer war für die manipulierte Abgastechnik bei Audi verantwortlich? Foto: Schmidt/dpa-Archiv

Quo vadis, Audi-Prozess? Im Münchner Dieselbetrugsverfahren stellt sich für Beobachter zunehmend die Frage, wohin die „Reise“ gehen soll. 118 von 181 geplanten Verhandlungstage sind inzwischen absolviert. Die ursprünglich für 20. Dezember terminierte Urteilsverkündung wird sich aber kaum halten lassen, eine Verlängerung bis weit ins nächste Jahr hinein deutet sich an.

Das verwundert angesichts der vielen vom Gericht geladenen Zeugen mit oft substanzlosen Aussagen nicht – frei nach dem Motto: Es wurde bisher wenig Ergiebiges gesagt, nur noch nicht von jedem. Mehr als 100 mussten bisher nach inoffizieller Zählung aussagen, weitere folgen. Von Verteidigerseite gab es diese Woche kritische Worte zur Art der Beweiserhebung – auch was die Zeugen betrifft.

War hier der völlig falsche Mann vorgeladen? Dieser Eindruck drängte sich am Dienstag auf, als ein 41-jähriger Sachbearbeiter von Volkswagen vor der Strafkammer Platz nahm. Er hatte die lange Fahrt von Wolfsburg angetreten, um im Zeugenstand praktisch nichts Substanzielles beizutragen. Kein Wunder, denn er war oder ist für die Produktbetreuung Südafrika beziehungsweise die Marktbetreuung Tunesien und Marokko zuständig – im Münchner Audi-Prozess geht es aber bekanntlich um Fahrzeuge mit manipulierter Abgastechnik, die in Nordamerika und Europa auf den Markt kamen.

Entlastungszeugen würden weitgehend fehlen

Möglicherweise war das Ganze ein Versehen, und es sollte einer seiner beiden Konzernkollegen mit demselben Nachnamen geladen werden – der eine war bei Audi in der Diesel-Task-Force tätig, der andere für Zulassungen zuständig. Beide hätten sicher mehr zur Sache beitragen können, zumal sie in den Akten wiederholt Erwähnung finden. Ihr Namensvetter aus Wolfsburg kam so zumindest zu einem Ausflug nach Bayern – Dinge, die viel Zeit und Geld kosten. Wer das bezahlen muss, wird sich am Ende zeigen.

Die Verteidigung von Ex-Audi-Chef Rupert Stadler – neben ihm sitzen der frühere Audi-Motorenchef und einstige Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie die ehemaligen Entwickler Giovanni P. und Henning L. auf der Anklagebank – monierte am Dienstag die Art und Weise der Zeugenbefragung. Gericht und Staatsanwaltschaft würden eine „asymmetrische Beweisaufnahme“ betreiben, Entlastungszeugen würden weitgehend fehlen, erklärten Ulrike Thole und Thilo Pfordte. Die Verteidigung müsse die Möglichkeit haben, Vorstandskollegen von Rupert Stadler zu hören und bei den Fragen mitwirken zu dürfen. Be- und entlastende Aussagen seien „nicht austariert“, das Ganze gehe zu Ungunsten ihres Mandanten.

Videoschalte nach Wien

Walter Lechner als Verteidiger von Giovanni P. sieht eine Schlüsselrolle im Abgasbetrug bei der für die Zulassungsmodalitäten zuständigen Abteilung bei Audi. Einer der Verantwortlichen war vergangene Woche als Zeuge gehört worden. Der Mann habe bei seiner Aussage „gemauert“, ausweichend und „vielfach nicht glaubwürdig“ auf Fragen geantwortet. Er habe „sich und andere schützen und den Fokus weg von den Zulassern lenken“ wollen, monierte Rechtsanwalt Lechner das Verhalten dieses Zeugen.

Eine Videoschalte nach Wien sorgte am Mittwoch für ein wenig Abwechslung in der Prozessroutine. Zu sehen war Josef Ahorner, seit November 2015 Mitglied im Audi-Aufsichtsrat. Seine Aussagen passten ins Bild bisher gehörter Dinge in dem seit 30. September 2020 andauernden Mammutverfahren – konkrete Klarheit darüber, wer auf Führungsebene für die illegale Abgastechnik verantwortlich zeichnete, brachte er aber nicht. Nach seinem Eindruck sei der Dieselskandal in der Audi-Spitze „intensiv und akribisch aufgearbeitet worden“, meinte der 62-Jährige auf Fragen des Gerichts.

DK