Geldanlage in Aktien
Anlageexperte Wolfgang Juds: „Schwankungen sind nicht entscheidend“

27.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:02 Uhr

Bulle und Bär vor der Frankfurter Wertpapierbörse. Foto: Imago

Viele Menschen in Deutschland stehen Aktien kritisch gegenüber. Andererseits werden die Papiere für die Altersvorsorge empfohlen. Was ist wichtig, wenn man sich für Aktien entscheidet? Das erklären unabhängige Finanzexperten aus der Region beim kostenlosen Vermögens-Check in Zusammenarbeit mit unserer Zeitung. In einer fünfteiligen Serie stellen wir jeden Donnerstag Anlagemöglichkeiten vor.



Wer Geld in Aktien investiert, braucht bisweilen starke Nerven. So brachten zum Beispiel im vergangenen Jahr Ukraine-Krieg, Energiekrise und Rekordinflation einen Kursrutsch an den Börsen. Dennoch haben nie zuvor so viele Menschen ihr Geld in Aktien, Fonds und börsengehandelten Indexfonds (ETFs) gesteckt als 2022 – nämlich 12,89 Millionen. Das hat das Deutsche Aktieninstitut in Frankfurt errechnet.

Dennoch: Viele Menschen in Deutschland sind immer noch skeptisch gegenüber Aktien. Warum? „Ich glaube, dass die Antwort darauf vielschichtig ist. Zum einen wirkt die große Inflation in den 1920er-Jahren nach, durch die es nach wie vor eine große Verlustangst gibt. Auf der anderen Seite haben wir immer wieder erlebt, dass etwa in der Phase des Neuen Marktes Menschen sehr stark von Gier angetrieben waren – und Geld verloren haben“, erklärt Wolfgang Juds (Foto), Geschäftsführer der Credo Vermögensmanagement GmbH in Nürnberg. Auch er berät beim kostenlosen Vermögens-Check unsere Leserinnen und Leser.



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Der Anlageexperte rät bei der Geldanlage in Aktien vor allem zur Ruhe. „Eigentlich dürfen uns dabei die Schwankungen nicht so sehr interessieren. Denn sie sind nicht entscheidend“, betont Juds im Gespräch mit unserer Zeitung. Es gehe vielmehr darum zu überlegen, wie ein Unternehmen Wertschöpfung generiert. Bei Siemens und Audi zum Beispiel hätten innovative Produkte regelmäßig dazu geführt, dass die Unternehmen wertvoller wurden. „Als Aktionär bin ich Anteilseigner und muss erst einmal mit der Qualität der Produkte zufrieden sein“, so der Anlageexperte.

Erkennen, woher die Wertschöpfung kommt

Dennoch: Die große Herausforderung ist, zu erkennen, woher die Wertschöpfung in unserer Wirtschaft kommt – „und sie kommt nicht von irgendwelchen Steuerberatern, nicht aus Bürokratien, sondern einzig daraus, was die Wirtschaft generiert. Und selbst Zins- und Immobilienmärkte hängen von der Wirtschaft ab“, so der Vermögensverwalter.

Für den Privatanleger ist es nicht immer einfach zu erkennen, welches Unternehmen mittelfristig gute Produkte schafft. „Wer aber überzeugende Produkte hat, legt eine gute Basis für zukünftige Erträge“, betont Juds. „Das können zum Beispiel Geschäftsmodelle sein, die auf regelmäßige Erträge abzielen, wie bei Sixt, SAP und Microsoft. Diese haben einen strategischen Vorteil, da sie risikoärmer sind.“

Um risikoärmer zu investieren, muss man also das Geschäftsmodell der Firma anschauen, die Kostenstruktur, die Marktposition, die Ertragsseite und die künftige Ausrichtung. Wer sich bei diesen Fragen Hilfe von einem Anlageexperten holt, muss laut Juds allerdings auch dessen Konzept betrachten: „Erst wenn ich das verstanden habe und vielleicht noch mit ein oder zwei anderen Konzepten verglichen habe, wähle ich den Experten aus. Mir ist zum Beispiel zu wenig, wenn der Kompass sich auf Prognosen bezieht, aber häufig werden diese in den Vordergrund geschoben.“ Denn niemand wisse, wie sich die Kurse entwickeln. „Wichtiger ist, ein Konzept zu haben, wie man handelt, wenn der Markt zum Beispiel 20 Prozent niedriger ist oder 20 Prozent höher.“ Juds Dienste kosten übrigens ein Prozent der jeweiligen Anlagesumme, dabei wird quartalsweise abgerechnet.

Eine Alternative zu Einzeltiteln sind ETFs oder aktiv gemanagte Fonds. „Selbst ich als Vermögensverwalter sage: Wenn es Menschen gibt, die bestimmte Dinge besser können als ich, schließe ich – insbesondere bei der Einzeltitelauswahl – bestimmte Kooperationen.“

Defensiv oder eher risikofreudig?

Viele Anleger setzen trotzdem auf Einzelaktien. Die Ausgangsgröße zur Bewertung eines Unternehmens ist dabei immer der Gewinn. „Einem Konzern mit höherem Wachstum billige ich einen höheren Gewinn zu als einem, der nicht so schnell wächst“, erklärt der Experte. Letztere müssten Anleger oft damit ködern, dass sie hohe Dividendenrenditen generieren. Sie haben also ein nicht so großes Wachstum, aber stabile Erträge.



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Diese Unternehmen kommen oft aus den Bereichen Versorgung, Telekommunikation, Pharma. „Anleger, die zur Vorsicht neigen, wollen oft die defensiven Unternehmen“, ist Juds’ Erfahrung. Risikofreudigere Anleger greifen zu einer Aktie wie Apple, der man ein höheres Wachstum zubilligt – immer im Hinterkopf müsse man allerdings behalten, dass sich die Wachstumsdynamik abflacht, so der Vermögensverwalter. Und der Anleger sollte ein Auge auf die Gewinnmarge haben – schauen, ob diese Marge also im Unternehmen stabil ist, steigt oder fällt. Denn davon hängt die Bewertung des Unternehmens ab.

Juds rät außerdem dazu, antizyklisch zu kaufen, also dort, „wo die Investoren im Moment nicht hinschauen“. Dazu müsse man die Märkte beobachten. „Ich halte es für die meisten Privatanleger dennoch für sinnvoll, ein Portfolio aufzubauen, das auf gewisse Qualitätskriterien setzt und nicht so sehr auf einzelne Titel.“ Dabei mache es Sinn, die verschiedenen Anlageklassen zu mischen – „ich suche wachstumsstarke Unternehmen wie LVMA und mische sie mit defensiven wie der Telekom. Ich kaufe dann das zu, was am stärksten gefallen ist und verkaufe von dem, was am stärksten gestiegen ist.“