Surrende Raubkatze

Mit dem i-Pace bringt Jaguar sein erstes vollelektrisches Fahrzeug - noch vor Audi und Mercedes

14.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:52 Uhr
Aufgeräumt: Einen Schalthebel hat der i-Pace nicht mehr an Bord - die Fahrstufen werden per Knopfdruck gewählt. −Foto: Nick Dimbleby

Autokonzerne gelten weithin als ziemlich schwerfällig.

Schnelle Entscheidungen sind eher selten. Nicht so, als es um das erste E-Auto von Jaguar ging. Wolfgang Ziebart, einst Technikvorstand von Jaguar Land Rover und zuletzt technischer Leiter des Projekts i-Pace, erzählt, er habe sich vor vier Jahren mit dem Unternehmenschef zum Abendessen getroffen - und ihm dabei vorgeschlagen, ein E-Auto zu bauen. Der stimmte sofort zu. "Und am nächsten Tag habe ich angefangen. " Nun steht der i-Pace bei den Händlern - noch mindestens ein halbes Jahr vor der Konkurrenz von Audi und Mercedes.

Das Design des Briten ist nicht bahnbrechend, aber dennoch eigenständig. Ins Auge sticht der kurze Vorderwagen, der dem SUV einen Hauch Mittelmotorsportwagen verleiht. Möglich wurde diese für ein SUV ungewöhnliche Gestaltung, weil kein Verbrennungsmotor mehr unter die Haube gequetscht werden muss. Insgesamt wirkt der i-Pace harmonisch. Ausnahme: Das breite und kantige Heck, das nicht so recht zur schmalen Fahrerkabine passen will.

Der Innenraum wirkt wertig verarbeitet, einen Analog-Tacho hat der Hightech-Jaguar nicht mehr an Bord. Der Fahrer blickt auf ein Display, das natürlich auch Karten, Batteriestand und vieles mehr anzeigen kann. In der Mittelkonsole wartet ein sehr breitformatiger Bildschirm - der sieht schick aus, lässt aber bei der Anzeige von Navi-Karten nicht besonders weit blicken.

Gestartet wird der i-Pace per Knopfdruck bei gleichzeitiger Betätigung der Bremse. Einen Gang-Wahlhebel hat der Brite nicht mehr an Bord: Zur Wahl stehen ein Vorwärtsgang (D), Leerlauf (N) und ein Rückwärtsgang (R), darunter sitzt noch der Knopf für die Parkbremse. Beim Fahren sind zwei Einstellungen möglich: Entweder man fährt das Auto wie ein traditionell angetriebenes Fahrzeug, das erst beim Druck aufs Bremspedal bremst - oder man wählt das sogenannte One-Pedal-Driving: Dann rekuperiert der Elektromotor sobald man vom Gas geht und das Auto verzögert. Wer nicht mit dem Bleifuss durch die Landschaft braust, muss so kaum bremsen. Eine entspannte Art des Fahrens, wenn man sich erstmal dran gewöhnt hat. Vor engen Kurven muss man aber natürlich weiterhin auf die Bremse steigen.

Angetrieben wird der i-Pace von zwei gleichstarken E-Motoren: einer sitzt auf der Vorder- und einer auf der Hinterachse. Gemeinsam leisten sie 400 PS (294 kW). Wegen der Gewichtsverlagerung beim Bremsen dient der vordere Antrieb vor allem der Rekuperation - also der Rückgewinnung von Bremsenergie. Der hintere Motor dagegen ist die meiste Zeit für den Vortrieb verantwortlich. Bei voller Beschleunigung sind beide Motoren im Einsatz.

Die Batterie mit einer Kapazität von 90 Kilowattstunden sitzt im Fahrzeugboden: Das dient nicht nur der Sicherheit, sondern - dank des tiefen Schwerpunkts - auch den Fahreigenschaften. Der Energiespeicher besteht aus insgesamt 432 Pouch-Zellen, die in 36 schuhkartongroße Module zusammengefasst sind. Auf 100 Kilometer verbraucht der i-Pace rund 22 kWh. In 15 Minuten lassen sich rund 100 Kilometer Reichweite auftanken, wenn man das Fahrzeug an eine 100 kW-Gleichstrom-Dose hängt.

Die Zellen stammen aus Korea, das sogenannte Packaging - also das Zusammenbauen der Batterie - übernimmt eine Fabrik in Polen. Die Reichweite der Batterie gibt Jaguar mit 480 Kilometern nach WLTP-Zyklus an. Wer gerne schnell fährt, wird diesen Wert aber auch nach einer Vollladung nicht im Display angezeigt bekommen. Der Grund: Das Auto errechnet die Reichweite immer aus der Fahrweise der letzten 500 Kilometer.

Typisch für E-Autos, spurtet auch der i-Pace aus dem Stand mächtig los: in nur 4,8 Sekunden sind 100 km/h erreicht. Und der Clou daran: Man spürt deutlich, dass die Elektronik den Antrieb stark einbremsen muss, sonst würden die Reifen durchdrehen. Das Drehmoment liegt bei 696 Newtonmetern. Um den Stromverbrauch zu deckeln, wurde die Höchstgeschwindigkeit des i-Pace auf 200 km/h limitiert.

Beim Fahren begleitet einen das für E-Fahrzeuge typische leise Surren, das bei Vollgas kurzzeitig in eine Art Brummen übergeht - ein wenig klingt das dann wie ein kleinzylindriger Verbrenner, auch wenn es das wohl nicht exakt trifft. Weil E-Fahrzeuge antriebsseitig ziemlich leise sind, treten beim i-Pace plötzlich andere Geräusche stärker in den Vordergrund: etwa das Blinkerknacken, oder wenn der Regen aufs Autos prasselt. Beim Rückwärtsfahren piepst der i-Pace - ähnlich wie Baustellenfahrzeuge - um Passanten zu warnen. Innen ist das allerdings kaum zu hören.

Der iPace fährt sich extrem sicher. Diese "unspektakuläre Fahrweise", erklärt der technische Leiter des Projekts, Wolfgang Ziebart, damit, dass man die E-Motoren im Prinzip völlig flexibel ansprechen, und so auf alle möglichen Fahrsituationen einstellen könne - etwa speziell für Gelände. Auch die Stabilisierung des Fahrzeugs wird größtenteils nicht über die Bremsen, sondern die E-Motoren vorgenommen. Die 2,2 Tonnen Leergewicht merkt man dem Fahrzeug aber in Kurven und beim Bremsen an. Das Fahrwerk ist ziemlich straff ausgelegt - selbst im Komfort-Modus.

Die Preise für den i-Pace starten bei 77850 Euro, für das Editionsmodell zum Start werden 101850 Euro fällig. Die Leistungsdaten sind dabei immer gleich, lediglich im Design und beim Komfort unterscheiden sich die Versionen. Der bislang einzige Gegner in dieser Liga ist Teslas Model X, das allerdings kostet aktuell zwischen 100000 und 150000 Euro.