Wiesbaden
Gute Konjunktur bringt Rekordüberschuss in die Staatskasse

25.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:49 Uhr
Der deutsche Staat hat in den ersten sechs Monaten des Jahres einen Überschuss von 48,1 Milliarden Euro erzielt. −Foto: Marc Müller

Steuern und Sozialbeiträge sprudeln kräftig. Die deutsche Wirtschaft wächst zwar nicht mehr so rasant wie 2017, doch die Staatskasse ist so prall gefüllt wie nie. Auch die EZB-Geldpolitik spielt eine Rolle.

Der deutsche Staat hat dank der guten Wirtschaftslage derzeit so viel Geld in der Kasse wie nie zuvor. In der ersten Jahreshälfte nahmen Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen unter dem Strich 48,1 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben.

Dies teilte das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Daten mit. Es war der höchste Überschuss in einem Halbjahr seit der Wiedervereinigung . Trotz internationaler Handelskonflikte blieb die exportorientierte deutsche Wirtschaft auch im zweiten Quartal auf Wachstumskurs. Der Staat profitierte von sprudelnden Steuern und Sozialbeiträgen. Den größten Überschuss erzielte der Bund mit rund 19,5 Milliarden Euro. Auch Länder, Kommunen und Sozialkassen verzeichneten ein Plus.

Die wichtigste Einnahmequelle des Staates sind Steuern. Zugleich profitiert er von der vor allem in Deutschland umstrittenen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Dank der Zinsflaute können sich die öffentlichen Haushalte günstiger verschulden. Die staatlichen Zinsausgaben seien wegen des niedrigen Zinsniveaus und eines gesunkenen Schuldenstandes um 8,7 Prozent zurückgegangen, berichteten die Statistiker in Wiesbaden.

Angetrieben vor allem von der Konsumlust der Verbraucher und dem Bauboom stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal im Vergleich zu den ersten drei Monaten des laufenden Jahres um 0,5 Prozent. Das Bundesamt bestätigte damit die bisher vorliegenden Daten. Zum Jahresanfang hatte es ein Plus von 0,4 Prozent gegeben.

Die historisch gute Lage auf dem Arbeitsmarkt und Lohnzuwächse steigern die Kauffreude der privaten Haushalte. Die Konsumausgaben des Staates, zu denen unter anderem soziale Sachleistungen und Gehälter der Mitarbeiter zählen, stiegen ebenfalls nach einer Delle zum Jahresanfang. Auch die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie beispielsweise Maschinen trugen zum Wachstum bei. Vom Außenhandel kamen dagegen keine Impulse, weil die Importe von Waren und Dienstleistungen deutlich stärker stiegen als die Exporte.

Experten gehen davon aus, dass sich der Aufschwung in Deutschland das neunte Jahr in Folge fortsetzt. Gegenüber dem vergangenen Boom-Jahr könnte er allerdings an Tempo verlieren. Im ersten Halbjahr reichte das Wachstum nicht mehr an die starken Raten des Vorjahres heran. Unruhe haben die Handelskonflikte ausgelöst. „Die Liste der deutschen Exportpartner, die von Sanktionen, Zollerhöhungen oder Krisen betroffen sind, wird länger“, sagte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Vor allem der Streit zwischen Washington und Peking, der in dieser Woche mit neuen Strafzöllen eine weitere Eskalationsstufe erreicht hatte, bereitet Sorgen. Ökonomen befürchten, dass die beiden größten Volkswirtschaften auf einen offenen Handelskrieg zusteuern, der Auswirkungen auf die gesamte globale Wirtschaft haben könnte. Das könnte die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen, deren Exportindustrie sowohl mit den USA als auch mit China eng verwoben ist.

Zahlreiche Experten hatten zuletzt ihre Konjunkturprognosen für das laufende Jahr gesenkt, teilweise auf weniger als 2 Prozent Wachstum. Am Freitag verringerte die staatliche Förderbank KfW ihre Vorhersage auf 1,8 Prozent. Eine deutliche Abkühlung erwarten Volkswirte kurzfristig jedoch nicht.

Gemessen an der gesamten Wirtschaftsleistung lag der Überschuss im ersten Halbjahr bei 2,9 Prozent. Deutschland bleibt damit weit entfernt von der Neuverschuldungs-Obergrenze von 3,0 Prozent des nominalen BIP, die sich die Europäer in ihren gemeinsamen Verträgen zugestehen (Maastricht-Quote). Zuletzt verfehlte Europas größte Volkswirtschaft diese Marke im Gesamtjahr 2010 mit einem Minus von 4,2 Prozent.

dpa