Junge Unternehmen in Zeiten der Krise

Corona trifft auch Start-ups – Digitales Gründerzentrum brigk will unterstützen – Scholz stellt Hilfen in Aussicht

31.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:26 Uhr
Das digitale Gründerzentrum brigk will auch im nächsten Jahr hoch hinaus - mit seinem Ableger brigkAir, das sich mit autonomem Fliegen beschäftigt. Geschäftsführer Franz Glatz (rechtes Foto) möchte sein Motto "Machen. Machen. Machen." noch weiter in die Öffentlichkeit bringen. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Das Coronavirus hat die ohnehin schon hüstelnde deutsche Wirtschaft schwer getroffen. Nach wenigen Woche der Krise rufen viele Unternehmen und Betriebe bereits nach staatlichen Hilfen, da aufgrund der Verunsicherung vieler Verbraucher und der konsequenten Maßnahmen seitens des Bundes praktisch kein ökonomisches Treiben mehr übrig ist. Gerne vergessen werden da die vielen Start-ups im Lande – junge und finanziell teilweise noch etwas wackelig aufgestellte Gründer und Unternehmen, deren Entwicklung in der Krise heftig ausgebremst wird.

Auch in der Region rund um Ingolstadt gibt es bereits das eine oder andere Start-up. Einige von ihnen werden durch das Digitale Gründerzentrum brigk, das aktuell Am Stein in Ingolstadt beheimatet ist, gefördert und unterstützt. Und dessen Macher haben sich schon Gedanken gemacht, wie die Gründerinnen und Gründer durch die Corona-Delle kommen können – es gibt Bedarf: „Letzte Woche hatte ich noch den Eindruck, dass so manche die ganze Lage nicht richtig einschätzen oder einschätzen wollen“, meint Franz Glatz, Geschäftsführer des brigk, gegenüber unserer Zeitung. Das habe sich mit den Regelungen der Regierung aber schlagartig geändert. „Ich höre jetzt von vielen Umsatzeinbrüchen“, berichtet er.

Glatz und sein Team sind inzwischen im Homeoffice, aber dennoch zu den üblichen Zeiten für die Gründer erreichbar. In der aktuell schwierigen Phase gilt es etwa, passende Experten als Ansprechpartner zu vermitteln. Zudem habe man einen neuen Chat ins Leben gerufen, in welchem sich die Gründerinnen und Gründer aus der Region 10 – also aus Ingolstadt und den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen – unkompliziert über die Lage austauschen können. Interessierte Jung-Unternehmen können die benötigten Zugangsdaten beim brigk unter info@brigk.digital erfragen.

Doch das brigk hilft nicht nur mit Kontakten und gutem Rat weiter, sondern auch durchaus tatkräftig. So habe man bereits allen im brigk untergebrachten Start-ups eine Mietstundung für drei Monate geboten. „Das hilft, die Liquidität zu verbessern“, so Glatz. Was in drei Monaten sei, wisse aber keiner.

Ein besonderes Problem für viele Jung-Unternehmerinnen und -Unternehmer sind aber Finanzhilfen. Nicht wenige haben Investoren, die wesentlich zur Liquidität beitragen. Für diejenigen Start-ups, die gerade einen neuen Geldgeber suchen, könnte es laut Glatz schwieriger werden. Denn: „Die Krise und vor allem der nicht abschätzbare Endzeitpunkt machen so manchen Business-Plan obsolet oder nicht einschätzbar. Das dadurch entstehende Risiko für einen Investor lässt sich einfach nicht kalkulieren“, beschreibt der Experte das Problem. Für alle anderen Gründerinnen und Gründer gelte, dass „ein kluger Investor dem Start-up in dieser Krise die Stange halten wird“.

Dazu passt dann auch die Ankündigung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Er erklärte gestern in München, die Bundesregierung wolle schnelle Finanzhilfen für Start-ups leisten. Zusätzlich zu bereits bestehenden Leistungen sollen die Jung-Unternehmen mit zwei Milliarden Euro zusätzlich unterstützt werden. „Wir wollen, dass diese jungen, innovativen Unternehmen für unser Land erhalten bleiben“, wie der Vizekanzler betonte. Im Klartext gehe es darum, die sogenannten Wagniskapitalinvestoren so zu stärken, dass sie den Start-ups frisches Kapital bereitstellen können.

Brigk-Geschäftsführer Glatz kann in der Krise aber auch so manche Chance für Gründer erkennen. „Wir alle merken, wie die Digitalisierung uns hilft, in diesen Zeiten im Homeoffice zu arbeiten oder mit unserer Familie oder Freunden Kontakt zu halten.“ Start-ups seien schnell und es zudem gewohnt, sich den Marktbegebenheiten anzupassen. „Es gibt viele, die jetzt ihre Dienste und Services zu vergünstigten Preisen anbieten, um für die Zukunft mehr Kunden zu haben“, beschreibt Glatz die gegenwärtige Krisen-Strategie einiger junger Unternehmen.

Das sagen Jung-Unternehemer aus der Region

Dagmar Meske ist Gründerin von Treepoint. Ihr Unternehmen mit Sitz in Gaimersheim bei Ingolstadt bietet ein produktübergreifendes Bewertungsprogramm an, etwa für Dienstleistungen oder für Firmen. Wichtigstes Kriterium: Nachhaltigkeit. Ziel ist es laut eigener Beschreibung, „Intransparenz und Unübersichtlichkeit“ bestehender Labels zu beenden. Das Start-up will in Onlineshops Orientierung für einen sozial fairen und umweltfreundlichen Konsum bieten. Meske ist überzeugt: „Wer jetzt verstanden hat, dass es Konsumenten um mehr geht als den billigsten Preis, kann gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen.“ Dabei helfe Treepoint, so die Gründerin. Für das junge Unternehmen liegt in der schwierigen Zeit also durchaus eine gewisse Chance.

Für Meske persönlich hingegen ist die aktuelle Situation nicht gerade einfach, wie sie unserer Zeitung schildert. „In meiner Rolle als Treepoint-Gründerin mit zwei kleinen Kindern, die nun Vollzeit betreut werden müssen, würde ich mich über unbürokratische Zuschüsse freuen.“ Sie falle bei vielen der Hilfspakete „durchs Raster“, wie sie sagt. Denn Meske ist zurzeit unbezahlt in Elternzeit und habe somit kein Einkommen. Da ihr Geschäftsmodell zudem digital ist, wird eine Bewilligung von Hilfen noch unwahrscheinlicher. Denn Meske unterhält kein Lager und verzeichne daher keine „Liquiditätsengpässe“: „Ich kann eben nur nicht arbeiten – was natürlich zum gleichen Ergebnis führt“, erklärt die Gründerin.

Und abseits ihrer Unternehmerinnen-Tätigkeit erwarte sie, dass „diejenigen, die das System in Zeiten von Corona am Laufen halten, in der Mehrheit Frauen, die ansonsten oft ungesehen und ungehört funktionieren, und sich jetzt in unser aller Dienst stellen, dass diese Menschen eine Stimme bekommen und durch Gesetze und bessere Arbeitsbedingungen entlastet werden.“

Peter Stahr hat mit weiteren Gründern das Start-up Mirrads in Ingolstadt aufgezogen. Die Firma entwickelt individuelle Lösungen für sogenannte Smart-Mirrors − also digitale Spiegel. Dabei sind in den Spiegel etwa Displays integriert, die dann Hologramme erzeugen. Diese Technologie eignet sich für Marketingzwecke aber auch für die firmeninterne Kommunikation. „Auch wir spüren die Krise, da unter anderem Messen und Einzelhändler bisher zu unserer Hauptzielgruppe gehörten und diese stark unter der aktuellen Situationen leiden“, sagt Stahr auf Anfrage.

Generell treffe die Krise junge Firmen aus seiner Sicht genau so hart wie etablierte. Hinzu komme aber, dass Start-ups meist keine großen finanziellen Rücklagen hätten. „Die meisten sind es jedoch gewohnt, mit wenig Geld und stetig wechselnden Herausforderungen umzugehen.“

Und Stahr ist optimistisch. Denn einer der zentralen Vorteile eines Start-ups „liegt in der hohen Flexibilität“, wie er erklärt. „Wir haben uns beispielsweise kurzerhand dazu entschlossen, unseren Fokus auf weitere Zielgruppen auszuweiten, die weniger stark unter der aktuellen Situation leiden.“ Man habe vor allem die Prioritäten in der Produktentwicklung angepasst.

Stahr sieht aber auch neue Möglichkeiten in schwierigen Zeiten. Denn: „Start-ups leiden zudem unter chronischem Zeitmangel.“ Die derzeitige Situation gebe jungen Firmen die Möglichkeit, sich auf Themen zu fokussieren und andere Bereiche zu bearbeiten, die es zwar verdient hätten, sonst aber aufgrund der Vielzahl von Projekten nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen können.

Die Hilfestellung durch das brigk bewertet Stahr positiv; man unterstütze die Start-ups „wie gewohnt auf einem sehr guten Niveau“. Man erhalte Beratung und Unterstützung in vielerlei Hinsicht – vom Finanzplan bis zum Krisenmanagement.

Christian Tamm