Ingolstadt
Ein Naturschutzgebiet für neue Technologien

Außenansicht von Franz Glatz

07.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:07 Uhr
Das Auto von Audi, die Drohne von Airbus - zusammengekoppelt wird daraus ein Flugtaxi. "Pop.up Next" heißt das dann. −Foto: Audi

„#Flugtaxi“ - mit diesem Ausdruck ist Staatsministerin für Digitales Dorothee Bär in die Internet-Geschichte eingegangen. Der Hashtag wird auch immer mit ihr in Verbindung gebracht werden. Die ausgemachte Netzpolitikerin wusste damals im Interview mit Marietta Slomka ganz genau, was sie sagte und meinte. Mobilitätsansprüche von heute in Regionen mit einer hohen Dichte an Menschen fordern die dritte Dimension der Fortbewegung ein - die Luft.

Sehen wir doch zu anfangs, wie man es ja auch gerne macht, in das Land der glückselig machenden Technologieschmieden, in das Silicon Valley. Das vielgescholtene Startup-Unternehmen Uber, das angetreten ist, den Taximarkt zu revolutionieren, kommuniziert: „Millionen von Stunden werden tagtäglich auf der Straße verschwendet. Im letzten Jahr hat ein durchschnittlicher Einwohner von San Francisco knapp 230 Stunden auf dem Weg zur Arbeit verbracht – das sind eine halbe Million Produktivitätsstunden täglich“. Deshalb arbeitet Uber seit geraumer Zeit an Konzepten, wie Personen in kleinen Gruppen autonom transportiert werden können. Übrigens hat dazu neuerdings der große Wettbewerber Lyft in München ein Forschungsteam zusammengestellt.

Was ist jetzt aber der Unterschied zwischen Drohnen, Flugtaxis und Helikoptern. Die Drohnentechnologie ist, wie vieles, im erstem Moment für militärische Zwecke entwickelt worden. Dabei versteht man stets unbemannte Flugobjekte, die entweder ferngesteuert oder neuerdings auch selbstgesteuert betrieben werden. Durch die günstige Herstellung von Gyroskopen und Sensoren erfolgte der Einstieg in den Consumer-Markt und parallel wurde die Technologie für andere Branchen und nichtmilitärische Anwendungen erschlossen.

Wir kennen alle die frühen Ideen eines Amazon-Chef Jeff Bezos, der unter dem Label Prime Air schon 2013 die Auslieferung von Bestellungen mit Drohnen plante, die ihren Weg alleine zum Kunden finden sollten. Kein Science Fiction, hier sind es hauptsächlich die rechtlichen Vorgaben, die einen kommerziellen Einsatz über längere Strecken nicht zulassen. Unbemannte Flugkörper dürfen nur in Sichtweite des Piloten (ähnlich wie Modellfluggeräte), bei Tag und nicht über Personen oder Personengruppen hinweg geflogen werden. Ein Dealbreak für alle Anwendungen und Geschäftsideen? Ja und nein. Und dann wollen auch noch Unternehmen mit diesen autonom fliegenden Objekten Menschen transportieren, im Gegensatz zu Helikoptern, bei denen immer ein Pilot an Board ist. Geht nicht? - Gibt’s nicht im Leben eines visionär denkenden Unternehmers. Sie existieren, die Startups, die diese Flugobjekte entwickeln und zum Fliegen bringen. Zwei süddeutsche Teams wecken seit Monaten die weltweite Aufmerksamkeit: Lilium in Raum München und Volocopter im schwäbischen Bruchsal.

Blutkonserven per Drohne

Die renommierte Investoren-Plattform Angel List weist zurzeit über 1000 Startups auf, die sich mit Drohnentechnlogie beschäftigen. Die Geschäftsbereiche sind neben der Entwicklung von Hardware, die Flight Operation durch Software, Data Processing Werkzeuge, Marktplätze und Datenbanken. Hinzu kommen Themen wie Drohnen-Rennveranstaltungen, Lieferdienste oder auch Anwendungen für die Landwirtschaft, Medizin oder auch Erziehung und Bildung. Sogar bei Kunst und Unterhaltung spielen Drohnen eine Rolle. Persönlich bin ich immer noch durch das Ballett von 300 Drohnen, das ich live in Las Vegas erleben durfte, geflasht. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an die Eröffnung der olympischen Winterspiele dieses Jahr.

Seit vergangenem Oktober fliegen die Drohnen des kalifornischen Unternehmens Zipline über Ruanda. Von einem zentralen Lager aus starten sie ihre Flüge zu medizinischen Einrichtungen. Ärzte in Kliniken können per SMS oder WhatsApp das dringend benötigte Blut anfordern. Mitarbeiter von Zipline holen die gewünschten Blutkonserven aus dem Kühlschrank und laden sie in eine Drohne, die per Katapult gestartet wird. Zwischen fünf und 40 Minuten benötigt das batteriebetriebene Fluggerät bis zum Ziel. In einem Land wie Ruanda mit vergleichsweise schlecht ausgebauter Infrastruktur würde eine Lieferung mit dem Auto mehrere Stunden dauern.

Flugtaxis eine Chance für Ingolstadt

Was fehlt bei uns, dass so etwas nicht passiert? Warum werden die ersten Passagiere von Volocopter im fernen Dubai transportiert? Startups benötigen Testumgebungen, in denen sie ihre Produkte anwenden können. Dubai ermöglicht ihnen das schon alleine deshalb, weil die Gesetzgebung eine andere ist als bei uns.

In den Flächenstaaten Europas wird dies so einfach nicht möglich sein. Um aber Technologien und auch Kunden in unserem Lande zu halten, benötigt es die Anwendungsfelder. Im ersten Moment erreicht man das durch Gebiete, die für den Drohnenflug ausgewiesen sind. Wie ein Naturschutzgebiet, aber eben für neue Technologien.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Region Ingolstadt mit ihren starken Mobilitätskonzernen, den aufstrebenden Hochschulen und Forschungsinstitutionen und die öffentliche Hand sich zusammengetan haben, um sich in Sofia dem europäischen Wettbewerb zu stellen. Ein Flughafen, an dem entwickelt wird und Testflüge stattfinden, ist genau hier in Manching vorhanden. Und dass Airbus an Drohnen nicht nur im militärischen Umfeld arbeitet, ist bekannt und kein Geheimnis.

Deshalb sind „Flugtaxis“ eine Chance für die Region. Dabei werden aber nicht nur die bestehenden Global Player der Mobilität eine Rolle spielen. So ein Gebiet, in dem unter Realbedingungen getestet werden darf, ist ein Anziehungspunkt für viele in diesem Business. Es kann zu einem Magnet für viele Startups werden. Und wenn sich dann mal Unternehmer, Gründer, Entwickler, Wissenschaftler und Visionäre treffen, passieren Dinge, die nicht geplant und oftmals auch nicht vorhersehbar sind. Serendipity eben, der glückliche Zufall. Lassen wir es geschehen...