Ingolstadt
Fachkräftemangel: Ingolstädter Projekt vermittelt Menschen aus Spanien und Indien

23.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:17 Uhr
  −Foto: Imago Images, privat

Viele Firmen suchen händeringend nach Fachkräften. In der Region um Ingolstadt sind das vor allem Industrieunternehmen. Das Projekt Adiungo will diese Lücke schließen und setzt auf die Vermittlung von Menschen aus Spanien und Indien. Sprachkurse sowie fachliche und kulturelle Hilfestellungen sollen dabei den Start erleichtern.

Ingolstadt - In der Corona-Pandemie steigt die Zahl der Arbeitslosen wieder. Fachkräfte allerdings werden in vielen Branchen immer noch gebraucht. Christina Beer, Leiterin des Projekts Adiungo in Ingolstadt, ist auf der Suche nach ihnen: "Das Ziel unseres Projekts ist es, den Fachkräftemangel in Deutschland, aber vor allem in unserer Region, zu bekämpfen", erzählt sie. Adiungo ist ein Projekt der Ingolstädter FAS GmbH. Der Zulieferer ist eigentlich für seine Fahrerassistenzsysteme bekannt. "Wir haben in der Firma, aber auch im Gespräch mit Kunden festgestellt, dass es Probleme gibt, Fachkräfte zu finden. Es gibt zwar viele Studienabgänger, die gut qualifiziert sein sollten, doch die Unternehmen waren häufig nicht zufrieden."

Das könne daran liegen, dass sich die automobilen Technologien so schnell ändern - etwa bei selbstfahrenden Autos oder der Elektromobilität. Es ist eine Geschwindigkeit, mit der Universitäten oftmals schwer mithalten können. "Sie sind eher groß, oft auch nicht so flexibel und können sich nicht so schnell umstellen", sagt Beer.

Auch wenn in Deutschland in manchen Bereichen tatsächlich gut ausgebildete Fachkräfte fehlen - international gibt es sie. "Unser Team hat untersucht, warum dennoch so wenige nach Deutschland kommen, was die Hürden dafür sind." Zudem verlassen viele Facharbeiter das Land nach relativ kurzer Zeit wieder. Als die größten Schwierigkeiten bei den Nachforschungen haben sich die fremde Sprache und die fremde Kultur herausgestellt.

Um diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen, bietet Adiungo eine innovative Online-Lernplattform an. Die Idee zum Projekt entstand 2015, im Jahr 2018 lief es dann so richtig an. Derzeit werden in erster Linie Fachkräfte für den Automobilbereich gesucht, mittelfristig will Adiungo in die Elektroindustrie einsteigen und auf lange Sicht in den Health-Care-Bereich. "Wir wollen Qualität liefern und sicherstellen, dass die Fachkräfte glücklich sind, wenn sie hierherkommen. Und dass sie gute Arbeit liefern können und die Unternehmen zufrieden sind", betont Beer.

 

Den Unterschied zu anderen Arbeitsvermittlungen sieht die 23-Jährige darin, dass die Bewerber qualifiziert werden. In einem ersten Schritt werden vor allem Fachkräfte aus Indien und Spanien gesucht. "Dort gibt es viele Studienabgänger, die im Land selbst keinen Job finden, und die Abschlüsse sind gleichwertig", begründet Beer. Doch die Arbeitskultur sei sehr unterschiedlich - selbst im Vergleich zu Spanien, wo zum Beispiel der Umgang untereinander viel lockerer ist und die Präsentationen oft lebhafter. "Das kommt in Deutschland nicht immer gut an. Dort werden die Präsentationen zum Beispiel nüchtern und sachorientiert gehalten. Dadurch könnte sich die Fachkraft missverstanden und unwohl fühlen." Die Neuankömmlinge hätten immer wieder auch ganz klassisch Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden.

Adiungo hat geschaut, was die Absolventen in Spanien und Indien in ihren Studiengängen lernen und die Differenz zu den Anforderungen der Arbeitgeber in Deutschland herausgearbeitet. "Die Grundkenntnisse der Methoden haben sie natürlich. Aber spezielle Tools und Anwendungen mit neuen Technologien kommen oftmals im Studium etwas zu kurz, weil die Studiengänge vor mehreren Jahren entwickelt und zwar immer wieder geändert wurden, aber eben nicht perfekt angepasst sind", so Beer. Kurse, die diese Lücke schließen sollen, werden auf der Online-Plattform angeboten. Das kann ein Text sein, ein interaktives Video oder ein Lehrvideo.

In der Corona-Pandemie erkennt Beer auch eine Chance, denn die Absolventen können sich zu Hause weiterbilden. Das Training dauert rund neun Monate und kostet 2000 Dollar - ein Teilstipendium nach einem Einstufungstest ist auch möglich. Über Partner in Spanien - etwa Universitäten - und Indien kommen Kontakte zu Firmen und Bildungseinrichtungen zustande. "Generell sind wir offen für alle Länder, aber in Spanien und Indien kennen wir uns am besten aus und betreiben das intensivste Marketing." In Indien ist es so, dass die Bachelor- und Masterabschlüsse auf dem Niveau des deutschen Universitätsabschlusses sind. "Und es gibt in Indien viele Studienabgänger, die den Wunsch haben, nach Deutschland zu kommen", sagt Beer.

Am Anfang der Weiterbildung steht das Deutschlernen. "Wir haben einen Sprachkurs für Deutsch auf der Online-Plattform, der von einer sehr renommierten Sprachschule angeboten wird." Jeder Student oder Schüler wird dabei von einem Sprachlehrer betreut. Allein dieser Sprachkurs dauert in der Regel fünf bis sechs Monate - insgesamt sind es acht. "Manche Schüler arbeiten nebenher und brauchen länger", erklärt Beer.

Nach der Ausbildung erhalten die Absolventen ein Zertifikat, dann erfolgt die Vermittlung. "Wir sprechen im Vorfeld mit Unternehmen, schauen, welchen Bedarf sie haben und suchen auch nach Stellenanzeigen. So versuchen wir, den perfekten Kandidaten zu finden." Auch wenn sie vermittelt sind, betreut Adiungo die Fachkräfte weiter, bei der Wohnungssuche etwa oder der Eingewöhnung in der neuen Stadt.

DK