Ingolstadt
Schinken und Lederhose aus dem Onlineshop

Metzger und Schneider verkaufen ihre Produkte längst nicht nur mehr im Hofladen oder im eigenen Geschäft

08.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:11 Uhr
So schön es in Wolfgang Speths Hofladen auch sein mag, nicht immer ist ein Besuch dort möglich. Dann kann man auch online bestellen und der Metzgermeister verschickt den Schinken im Paket. −Foto: Speth

"Der Grad der Digitalisierung ist bei den Handwerksbetrieben extrem unterschiedlich", sagt Laurin Baier, Digitalexperte bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Laut der Studie des Zentralverbands des Deutschen Handwerks digitalisieren Handwerker ihre betriebsinternen Abläufe in Planung, Einkauf, Produktion oder Logistik immer mehr.

"Der Grad der Digitalisierung ist bei den Handwerksbetrieben extrem unterschiedlich", sagt Laurin Baier, Digitalexperte bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Laut der Studie des Zentralverbands des Deutschen Handwerks digitalisieren Handwerker ihre betriebsinternen Abläufe in Planung, Einkauf, Produktion oder Logistik immer mehr. Der Studie zufolge reagieren Handwerker damit auch auf die neuen Erwartungen ihrer Kunden, was moderne Produkte, Dienstleistungen oder auch Kommunikation angeht. Als Hürde sehen die Betriebe vor allem fehlende eigene Ressourcen und Kompetenzen, aber auch langsame Internetverbindungen. Und über die Gewährleistung der IT-Sicherheit machen sich die Firmen ebenso Gedanken.

"Welche Strategien einzelne Betriebe entwickeln, hängt ganz vom Handwerker selbst ab", sagt Baier, "Friseure bieten zum Beispiel den Service, Termine online zu buchen." Das etwa würden Edith Milchmeier-Merl und Maria Milchmeier über ihre Webseite www.milchmeier.de machen. Kunden können so ihren Wunschtermin für die Salons in Ingolstadt und in Geisenfeld online aussuchen. Milchmeier-Merl sei zudem sehr aktiv auf Facebook, Instagram und auf Twitter, erzählt Baier. In den Sozialen Netzwerken zeige sie zum Beispiel die neuesten Frisurentrends.

Der Metzger dagegen ist eher vor Ort, als online. Aber auch hier gibt es ein Beispiel aus Bergheim bei Neuburg, von wo aus Wolfgang Speth seit November 2018 seinen Onlineshop schinken-ambiente.de betreibt. Seit über 30 Jahren ist der Metzgermeister und Fleischtechniker in der Fleischerbranche tätig. "Ich habe mein Handwerk von der Pike auf gelernt und ich würde es auch heute wieder tun", sagt er. Mit dem Unternehmen Schinken Ambiente habe er sich die Möglichkeit geschaffen, zu den handwerklichen Wurzeln seines Berufs zurück zu finden. Speth verkauft seinen Schinken auch vor Ort in seinem Hofladen in Bergheim. Samstags findet man ihn auf dem Wochenmarkt in Eichstätt, am Mittwoch ist er auf dem Wochenmarkt am Theaterplatz in Ingolstadt. In Eichstätt sei er auch auf die Idee mit dem Onlineshop gekommen. "Da haben mich viele Leute gefragt, ob man meinen Schinken auch online kaufen kann", erzählt er. Speth verkauft geräucherte, luftgetrocknete und naturgereifte Schinken sowie Salami-Spezialitäten. Viel Werbung habe er allerdings noch nicht gemacht für seinen Onlineshop, sagt Speth. Das liege vor allem daran, dass er seine Bestände nach dem guten Weihnachtsgeschäft erst wieder auffüllen müsse. "Ein guter Schinken braucht einfach seine Zeit", sagt er. Der Beinschinken, den er momentan verkaufe, habe 18 Monate Zeit gehabt, um zu reifen. Das Fleisch für seine Produkte bekommt Speth aus der Region zum Beispiel von der Familie Weichselbaumer und von der Metzgerei Joseph Huber aus Ingolstadt.

Inwieweit ein Handwerksbetrieb in die Digitalisierung investiert, hängt nach Laurin Baiers Erfahrung oft vom Alter des Firmeninhabers ab. "Man kann das schon als Generationenkonflikt beschreiben", sagt er. Vor allem Firmennachfolger würden großen Wert auf das Thema legen und etwas bewegen wollen. "Außerdem läuft bei den meisten der Laden ja momentan, da ist der Druck gering, etwas zu ändern", sagt Baier. Aber gerade jetzt sei ein guter Zeitpunkt, um sich mit dem Thema zu beschäftigen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Dann sei ein Betrieb auch in ein paar Jahren, wenn die Konjunktur vielleicht nicht mehr so gut laufe wie jetzt, gut gerüstet.

Der Grad der Digitalisierung hängt aber auch von der Größe des Betriebs ab. Große Firmen sind beim Thema Digitalisierung deutlich weiter, oft werden sie von Lieferanten oder Kunden regelrecht dazu gezwungen. "Ein Maschinenbauer kann heute zum Beispiel eigentlich nicht mehr ohne CAD arbeiten", erzählt Baier. Das sei dann auch eine Frage des Wettbewerbs, in dem die Firmen bestehen müssten. Viele Projekte können über den Digitalbonuns oder einen Innovationsgutschein gefördert werden. "Dazu gehört zum Beispiel Branchensoftware etwa fürs digitale Rechnungswesen und IT-Sicherheit", erklärt Baier.

Das Unternehmen Faust Lino-leum mit Sitz in Huglfing in Oberbayern konnte mit dieser Förderung einen 3D-Konfigurator aufbauen und auch die komplette Produktion digitalisieren. "Wir leben damit das Prinzip Handwerk 4.0", sagt Inhaberin Antonia Faust. Die Firma produziert Linoleumprodukte sowohl für die Ausstattung von Büro- als auch von Wohnräumen. Das Angebot umfasst Tischplatten, Regalsysteme, Hocker und Pinnwände. Die Produkte werden Faust zufolge gerne in Museen, Bibliotheken, Arztpraxen, in der Gastronomie oder auch im privaten Wohnbereich verwendet. Innerhalb weniger Jahre hat sich Faust Linoleum von einer klassischen Tischlerei zu einem Unternehmen mit Kunden aus aller Welt entwickelt. "Für uns war ausschlaggebend, dass wir mit unserem 3D-Konfigurator ortsunabhängig verkaufen können", erzählt Faust. Außerdem liege so die komplette Planung des Möbelstücks beim Kunden selbst, was sehr gut ankomme.

Für die einzelnen Betriebe gibt es beim Thema Digitalisierung immer die Herausforderung, sich zu fragen, was sie überhaupt brauchen und was für sie letztendlich Sinn macht. "Der Handwerker muss für so ein Digitalisierungsprojekt erst einmal in Vorleistung gehen, das ist nicht unerheblich", sagt Baier. Da müsse immer eine Kosten-Nutzen-Analyse vorausgehen.

Genau das hat auch Knut Starringer aus Schrobenhausen gemacht. Starringer betreibt seine Maßsschneiderei in der zweiten Generation und vertreibt über seinen Onlineshop Lederhosen und Motorradbekleidung. "Wir sind eigentlich eine klassische Schneiderei und haben wie viele andere auch neue Vertriebswege gesucht", erzählt er. "Die Haptik von Bekleidung ins Internet zu transportieren, ist schwierig", sagt Starringer. Je nachdem, wo die Kunden wohnen, kommen sie zu ihm in die Schneiderei, um sich vermessen zu lassen. Wenn sie weiter weg wohnen, schickt er ihnen zwei Probiergrößen, auch um die Bekleidung erfahrbar zu machen. Starringer legt großen Wert auf den persönlichen Kontakt zu seinen Kunden. Nach einer Onlinebestellung telefoniert er erst einmal mit ihnen, um Details zu klären. Der Kunde wiederum schickt Starringer "ein Selfie, wenn sie so wollen", so könne er schon mal sehen, welche Proportionen der Kunde habe. Die Daten der Kunden speichert Starringer auf einem Server, der keine Verbindung nach draußen hat. "Da geht es vor allem um Datensicherheit. Unsere Kunden sollen sicher sein, dass ihre Daten bei uns gut aufgehoben sind", sagt Starringer. "Wissen Sie, zum Thema Digitalisierung könnte ich Ihnen einen ganzen Vortrag halten", sagt Starringer. Vieles sei da nicht zu Ende gedacht, vor allem nicht, welche Konsequenzen manche Entwicklungen für die Menschen hätten.

In anderen Bereichen kommen Betriebe um die Digitalisierung nicht herum. "Öffentliche Ausschreibungen zum Beispiel werden nur noch über eine Building Information Modeling Software ausgeschrieben", erzählt Baier. Baufirmen etwa, die sich für so eine Ausschreibung bewerben möchten, brauchen also nicht nur die entsprechende technische Ausstattung, sondern auch das nötige Knowhow.
Im letzten Teil unserer Serie

lesen Sie in der Wirtschaftsbeilage "Stirbt der Einzelhandel aus?".

Julia Röder