Brüssel
Ein "Reförmchen" für den Euro

Finanzminister einig über Stärkung des ESM und Sicherungsnetz für Krisenbanken

04.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:18 Uhr
Eric Bonse
Euro-Gruppenchef Mario Centeno läutet beim Treffen der Euro-Finanzminister die Tagungsglocke. Die Minister sind bei der Euro-Reform vorangekommen - mit Abstrichen. −Foto: Ye Pingfan/dpa

Brüssel (DK) Die Euro-Zone wappnet sich für künftige Krisen. Der Rettungsschirm ESM soll gestärkt werden und für wackelnde Banken zusätzliche Sicherungen geben. Dies hat die Euro-Gruppe gestern in Brüssel empfohlen. Auf eine große Reform nach den Vorstellungen des französischen Staatschefs Emmanuel Macron konnten sich die 19 Euro-Finanzminister allerdings nicht einigen.

Macron hatte 2017 vorgeschlagen, die Euro-Zone mit einem eigenen Haushalt auszustatten, einen Finanzminister zu ernennen und die parlamentarische Kontrolle zu stärken. Davon findet sich in der Vorlage der Euro-Gruppe nichts wieder. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire sprachen dennoch von einem Erfolg.

"Das ist ein Aufbruch für Europa", sagte Scholz. "Wenn eine Krise kommt, können wir handeln." Le Maire sprach von einem "wichtigen Schritt, der die Euro-Zone erheblich stärken wird". Demgegenüber kritisierte der grüne Finanzexperte Sven Giegold das "Reförmchen". Die Finanzminister hätten es versäumt, die Euro-Zone demokratischer zu machen. Die Währungsunion sei auch nicht krisenfest.

Die wichtigste Neuerung betrifft den Euro-Rettungsschirm ESM. Das in Luxemburg angesiedelte Institut, das von dem Deutschen Klaus Regling geleitet wird, bekommt neue Kompetenzen. So soll der ESM künftig Zertifikate zur Bonität von Euro-Ländern ausgeben und vorsorglich helfen, wenn eine Regierung unverschuldet in Probleme gerät. Bisher half der ESM nur Krisenländern wie Griechenland.

Außerdem bekommt der ESM eine neue Kreditlinie für notleidende Banken. Die Rede ist von 60 Milliarden Euro, die der "Letztsicherung" für die Abwicklung von Banken dienen sollen. Allerdings wird dieser "Backstop" erst 2024 wirksam. Bei Bedarf könne es auch schneller gehen, sagte Euro-Gruppenchef Mario Centeno.

Von einem Ausbau des ESM zu einem eigenständigen Europäischen Währungsfonds ist jedoch keine Rede mehr. Scholz sprach nur noch von "einer Art Währungsfonds", der in der Regel aber gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) einspringen solle. IWF-Hilfen sind meist mit harten Sparauflagen verbunden.

Im Kern gehe es darum, den ESM als "Anwalt der Gläubiger" zu stärken, hieß es. Dafür soll er die Möglichkeit bekommen, alle Euro-Länder auf ihre finanzielle Stabilität zu prüfen - und nicht nur jene, die Finanzhilfen bekommen. Auch Deutschland und Frankreich müssen sich also auf kritische ESM-Analysen gefasst machen. Die EU-Kommission soll dafür Kompetenzen abgeben.

Unklar bleibt auch nach der Einigung der Euro-Gruppe, ob die Euro-Zone einen eigenen Haushalt bekommen wird. Die deutsch-französischen Pläne wurden an den EU-Gipfel in der kommenden Woche überwiesen, wo sie noch scheitern könnten. Frankreich musste bereits große Abstriche hinnehmen. So soll das Euro-Budget nicht mehr eigenständig sein, sondern zu einer Linie im EU-Haushalt schrumpfen.

Da der neue EU-Finanzrahmen erst 2021 in Kraft tritt, wird es vorher auch kein Euro-Budget geben. Zudem soll die neue Haushaltslinie vorrangig dazu dienen, "Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz" zu fördern. Die Stabilisierung der Währungsunion hingegen, die Macron wichtig war, bleibt umstritten. Das letzte Wort soll der EU-Gipfel haben - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dürfte dabei eine Schlüsselrolle spielen.

Aufgeschoben wurde auch die Digitalsteuer. Sie ist nicht Teil der Euro-Reform, wurde aber ebenfalls von Deutschland und Frankreich vorangetrieben. Scholz und Le Maire legten in letzter Minute einen abgespeckten Kompromissvorschlag vor, der jedoch keine Mehrheit fand. Er sah eine Drei-Prozent-Umsatzsteuer vor - aber nur auf Online-Werbeerlöse, nicht auf alle Geschäfte im Internet. Die Debatte soll nun 2019 fortgeführt werden.

Eric Bonse