Die Autoindustrie ist zufrieden - beinahe

Förderung für E-Fahrzeuge und Steuersenkung stoßen auf Zustimmung, aber die Verbrenner-Prämie fehlt

04.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:14 Uhr
Beginnt nun die von Experten prophezeite Rabatt-Schlacht? Die Autoindustrie leidet schwer unter den Folgen von Corona. Jetzt hat der Bund ein Paket geschnürt, in dem auch für die deutsche Leitbranche Hilfen und Kaufanreize verpackt sind. −Foto: Gollnow, dpa-Archiv

Ingolstadt - Die Hängepartie in puncto Autoprämie ist beendet.

 

Die Bundesregierung hat sich am Mittwochabend darauf geeinigt, die sogenannte Umweltprämie für den Kauf eines Elektroautos befristet bis Ende 2021 von 3000 auf 6000 Euro aufzustocken. Auch Hybride werden dabei berücksichtigt. Voraussetzung ist, dass der Listenpreis des jeweiligen Fahrzeugs nicht höher liegt als 40000 Euro. Zudem wird die Mehrwertsteuer bis Ende des Jahres von 19 auf 16 Prozent abgesenkt, was dann auch beim Kauf eines Diesels oder eines Benziners hilft. Hinzu kommen Förderungen der Hersteller. Mit der Forderung nach direkten Kaufprämien für Verbrenner konnte sich die Automobilbranche dieses Mal allerdings nicht durchsetzen.

Kritik daran kam von Audi-Betriebsratschef Peter Mosch: Er teilte mit, das Konjunkturpaket habe bei den Kaufanreizen für Autos einen Schönheitsfehler. "Die einseitige Fokussierung auf E-Fahrzeuge geht an den Kaufoptionen der Kunden vorbei und wird auf dem Markt aktuell keinen kräftigen Nachfrage-Impuls für die heimische Automobil- und Zulieferindustrie setzen können. " Michael Brecht, sein Amtskollege bei Daimler, teilte die Ansicht Moschs: "Ich bin enttäuscht darüber, dass die Kaufprämie für Neufahrzeuge mit der neuesten Technologie für Verbrenner nicht kommt. "

Insgesamt jedoch zeigte sich die Branche versöhnlich und im Kern mit dem Konjunkturpaket der Regierung zufrieden. Bei BMW in München hieß es etwa, die Maßnahmen könnten für einen breiten wirtschaftlichen Impuls sorgen. In einer Mitteilung sagte Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse, die Beschlüsse "sind ein wertvoller Transformationsbeschleuniger, um noch mehr Kunden für nachhaltige Mobilität zu begeistern". Beim VW-Konzern in Wolfsburg, der auch für seine Töchter und so für Audi sprach, bewertete man die Maßnahmen - vor allem die erweiterte Förderung von E- und Hybrid-Autos - ebenfalls als "guten und wichtigen Impuls". Volkswagen plant seit dem Abgas-Skandal konsequent seine elektrifizierte Zukunft, hatte aber durch Vorstandschef Herbert Diess ursprünglich eindeutig Prämien für Verbrenner der neuesten Schadstoff-Klasse eingefordert. Und im Gegensatz zu Betriebsratschef Michael Brecht bewertet auch Daimler das Konjunkturpaket als "guten und überparteilichen Kompromiss".

Die Entscheidung der Bundesregierung war kaum publik, da kam bereits die Frage auf, ob die Autokäufer - ganz gleich, ob E-Auto oder Verbrenner - denn überhaupt von der Mehrwertsteuersenkung profitieren können. Hier war der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Donnerstag bemüht, rasch für Klarheit zu sorgen. Er beteuerte, dass die Hersteller die Steuersenkungen voll an ihre Kunden weitergeben werden.

Der unabhängige Mobilitätsexperte Hans-Peter Kleebinder, ein gebürtiger Ingolstädter und Studienleiter an der Universität St. Gallen, teilte unserer Zeitung mit: "Die gezielten Förderungen einer nachhaltigeren Energie-Gewinnung in Verbindung mit umweltfreundlicheren Antriebstechnologien ist ein Schritt in die richtige Richtung. " Insgesamt bewertete er die Maßnahmen als "überfälligen Transformationsbeschleuniger" für die deutsche Automobilindustrie. Und diese solle jetzt die Chance ergreifen und den fälligen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit beschleunigen "und neue zukunftsgerichtete Arbeitsplätze schaffen".

Kritik am Paket der Bundesregierung kam unterdessen von einigen Umwelt- sowie Naturschutzorganisationen. Jens Hilgenberg vom BUND bemängelte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass eine nun ausgeweitete Förderung für Plug-in-Hybride auch Schlupflöcher biete. Werden nicht mindestens 70 bis 80 Prozent einer Strecke elektrisch zurückgelegt, dann sei ein solcher Wagen de facto ein Verbrenner, sagte Hilgenberg. Er befürchtet letztlich also eine Art "Kaufprämie für Verbrenner durch die Hintertür". Und auch Greenpeace äußerte in einer ersten Reaktion Skepsis. Dessen Klimaexperte Tobias Austrup stellte aber fest, dass die Verbrenner die Verlierer seien, da ihnen die politische Unterstützung fehle.

DK