Affing
Der steinige Weg zum Öko-Fleisch

04.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:26 Uhr
Matthias Brandmeir und Ulrike Steger betreiben in Affing (Kreis Aichach-Friedberg) einen Schweinemastbetrieb mit 4000 Tieren. −Foto: Winter

Affing (DK) Matthias Brandmeir und Ulrike Steger wollten ihren konventionellen Schweinemastbetrieb auf Bio umstellen- doch Fachberater von Öko-Vermarktern rieten ab: Die beiden hätten zu viele Schweine, der Markt sei gesättigt. Also suchten sie nach einer anderen Lösung.

Einen konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb auf Bio umzustellen, geht nicht von heute auf morgen, ist aber durchaus machbar. Der Bauer muss es nur wollen, könnte man meinen. Das trifft allerdings nicht auf alle Bereiche zu. Bei Milch und Fleisch haben die Vermarkter beziehungsweise Verbraucher das letzte Wort. Das zeigt ein Beispiel aus dem Lechrain.

Matthias Brandmeir und Ulrike Steger aus Affing (Kreis Aichach-Friedberg) führen einen Schweinmastbetrieb mit 4000 Tieren. Sie produzieren konventionell, achten aber auf das Wohl ihrer Tiere, sprich ihre Schweine haben schon jetzt fast das Doppelte der gesetzlich vorgeschriebenen Fläche von 0,75 Quadratmeter zur Verfügung, und können sich drinnen und draußen bewegen, "damit die Tiere Regen, Schnee und Sonne spüren", wie Steger erklärt.

Schon seit Längerem überlegt das Paar, seinen Betrieb ökologisch zu bewirtschaften. Zu dem Zweck haben sich die Affinger mit verschiedenen Formen der Biovermarktung auseinandergesetzt. Grundsätzlich bräuchten ihre Tiere deutlich mehr Platz, weiß Steger, dazu müssten sie die Zahl ihrer Schweine etwa auf die Hälfte reduzieren. Und: Stroh bräuchte man nicht nur als "Spielzeug", sondern auch als Einstreu. Darüber hinaus, weiß Steger, müsste die Familie auch ihre 180 Hektar Ackerland irgendwann auf Bio umstellen.

"Natur- und Bioland fordern, dass sich innerhalb von drei Jahren zumindest alle Betriebszweige in der Umstellung befinden. Beim EU-Bio-Siegel reicht es, einen Zweig ökologisch umzustellen und die anderen bleiben konventionell", zählt die Landwirtin aus Affing die verschiedenen Richtlinien der Öko-Verbände auf. Für ihren Betrieb komme nur eine komplette Umstellung infrage, alles andere wäre zu kompliziert und die Gefahr der Vermischung zu groß.

Laut Matthias Brandmeir würde es etwa eineinhalb bis zwei Jahre dauern, bis sein Betrieb reine Bioschweine produzieren könnte. In der Folge hätte die Landwirtschaft aus dem Lechrain Kapazitäten für 5000 Tiere jährlich. Allein, einen geeigneten Vermarkter für ihre Schweine fanden sie nicht. Der Fachberater für Naturland riet den Affingern sogar ab, er könne nicht versprechen, ihnen die gesamte Menge abzunehmen. Der Markt sei momentan gesättigt.

Das bestätigt auch Johannes Enzler von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, zuständig für den Bereich Land- und Ernährungswirtschaft. Wenn irgendwo in Bayern ein Bauer entscheidet, seinen Betrieb umzustellen, dann erfährt früher oder später er davon. Enzler erklärt: "Im vergangenen Jahr wurden in Bayern 24000 Bioschweine erzeugt. Wenn nun 5000 Tiere dazukämen, würde das für Preiseinbrüche sorgen."

Der Markt für Bioschweinefleisch sei relativ klein und schwierig. Der Grund dafür: Bio-Kunden, so der Experte für ökologische Land- und Ernährungswirtschaft, ernährten sich tendenziell eher vegetarisch oder vegan und wenn sie Fleisch essen, dann Huhn oder Rind. "Vor etwa drei Jahren gab es einen regelrechten Hype, damals wurden mit den Erzeugern teilweise Verträge mit vier, fünf Jahren Laufzeit gemacht", erinnert sich Enzler.

Irgendwann sei der Markt dann aber zusammengebrochen, im Norden Deutschlands habe das zu massiven Einbrüchen geführt. Im süddeutschen Raum hingegen sei der Preis stabil geblieben und bewege sich zwischen 3,50 und 3,95 Euro je Kilogramm. Doch alarmiert durch die Entwicklungen, seien die Vermarkter nun entsprechend bemüht, das sensible ökonomische Gleichgewicht nicht zu gefährden.

Die Verbände und Lebensmittelketten seien "grundsätzlich vorsichtig" geworden, man wolle das Angebot nur kontinuierlich erhöhen, sagt Enzler. Im Öko-Sektor gelte, Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht zu halten. Denn: Der Bio-Bereich sei empfindlicher als der konventionelle, "hier gibt es kein Exportloch", so der Experte, sprich, wenn Überschüsse produziert werden, lassen sie sich schlechter oder gar nicht ins Ausland verkaufen.

"Ähnliches sehen wir gerade bei den Bio-Molkereien, die einen Aufnahmestopp verhängt haben", erklärt Enzler. Zwar steige die Nachfrage nach Bio-Milch kontinuierlich an, das sei grundsätzlich erfreulich. Doch immer mehr konventionelle Milchbauern wollten aufgrund des Preisverfalls auf ökologische Erzeugung umstellen. "Um den Preis stabil zu halten, nehmen die Molkereien dann nur noch Betriebe auf, die auf der Route liegen, beziehungsweise werden sie grundsätzlich anspruchsvoller, was die Tierhaltung etc. betrifft."

Enzlers Fazit: Jeder Landwirt, der auf Bio umstellen möchte, sollte zunächst sicher sein, dass er einen Abnehmer hat, sprich einen Vertrag in der Tasche. "Ansonsten bekommt er am Ende nur den konventionellen Preis, und das rentiert sich auf Dauer natürlich nicht."

Für Matthias Brandmeir und Ulrike Steger hat sich mittlerweile eine annehmbare Zwischenlösung gefunden: Die Familie verkauft ihr Fleisch nun erst einmal an die Lebensmittel-Einzelhandelskette Kaufland. Die honoriert das Mehr an Tierwohl, das die Affinger ihren Schweinen zukommen lassen, mit einem höheren Preis. Verkauft wird das Fleisch dann unter dem Label "Wertschätze", dabei handelt es sich um ein firmeneigenes Qualitätsprogramm.

Im Landkreis Aichach-Friedberg ist die Zahl der landwirtschaftlichen Öko-Betriebe in den vergangenen Jahren merklich gestiegen. Laut Konrad Hörl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Augsburg gab es 2015 53 Bio-Bauern im Wittelsbacher Land, inzwischen liegt die Zahl bei 82.

Wie sehr die Landwirte aus Affing ärgert, dass der Markt darüber entscheidet, ob sie biologisch oder konventionell produzieren? Brandmeir sieht die Sache nüchtern, auch wenn ein wenig Resignation in seiner Stimme mitklingt, wenn er feststellt: "Wir Bauern machen das, was man von uns verlangt."

Er ist sicher, viele konventionelle Landwirte hätten kein Problem damit auf Ökolandbau umzustellen. "Allerdings bräuchten sie dann auch die Garantie, dass sie in den kommenden Jahren vernünftiges Geld damit verdienen können."

Thomas Winter