Sport-Branche leidet trotz Frischluft-Booms

29.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:46 Uhr
Nur noch raus: Immer mehr Menschen entdecken in der Corona-Krise die Natur und gehen wandern, walken oder einfach spazieren. −Foto: Kumm, dpa

Corona hat viele dazu veranlasst, sich mehr im Freien aufzuhalten. Während die meisten Indoor-Aktivitäten geschlossen sein müssen, gehen Sportbegeisterte und alle auf der Suche nach Zerstreuung in die Natur. Ausrüster wie die Firma Lowa aus Jetzendorf oder der örtliche Sportfachhandel können davon aber nur bedingt profitieren. Der neuerliche Lockdowns schlägt durch.

Ingolstadt - Nicht wenige haben sich Aktivitäten im Inneren gespart, um sich nicht mit Corona anzustecken - und fanden ihr Glück im Freien. Wandern, Walken oder Wintersport boomen - zumindest im Rahmen dessen, was die Einschränkungen zulassen. Firmen wie das Traditionsunternehmen Lowa aus Jetzendorf im Kreis Pfaffenhofen bemerken das durchaus. Seit 1923 fertigt man Schuhe für Bergsport und Freizeit - einst fing es mit Haferlschuhen an. Man geht von einem länger anhaltenden Trend aus.

Die Menschen wollten nach draußen, meint Geschäftsführer Alexander Nicolai gegenüber unserer Zeitung. "Selbst jetzt bei den Winterbedingungen gehen die Menschen raus und suchen Erholung in der Natur", sagt er. Man freue sich, dass "die Menschen immer mehr zu schätzen lernen, welchen Mehrwert die Natur und die Bergwelt haben. Daher blicken wir optimistisch in die Zukunft", so der Geschäftsführer. Für 2021 erwartet er eher einen Anstieg der Nachfrage, da der Outdoor-Trend nach wie vor ungebrochen sei. Es bleibe aber abzuwarten, wie lange der aktuelle Lockdown dauere und wie sich die Lage danach weiter entwickeln werde.

Vor allem nach den ersten Maßnahmen im Frühjahr 2020 - geschlossene Geschäfte, Kontaktbeschränkungen und mehr Homeoffice - gab es laut Nicolai gesteigerte Nachfrage nach Outdoor-Schuhen. "Speziell in unseren deutschsprachigen Ländern waren der Sommer und der Herbst recht gut, was den Absatz angeht." Allerdings werde Lowa auch international verkauft und einige Vertriebsländer seien 2020 länger im Lockdown gewesen als etwa Deutschland. Weltweit betrachtet würden die Ergebnisse laut Unternehmensangaben gemischt ausfallen.

"Auf das gesamte Jahr 2020 gerechnet, ergab sich trotz eines guten Herbstes durch den Lockdown sowie die Lage in unseren Exportländern leider ein leicht rückläufiges Ergebnis." Aber bei Lowa sei man den Umständen entsprechend damit zufrieden, weil trotz allem im deutschsprachigen Raum gute Ergebnisse erzielt werden konnten, wie es heißt. Konkrete Zahlen kann Lowa derzeit aber nicht übermitteln. Dennoch kann man wohl als Außenstehender sagen, dass der Outdoor-Boom das Schlimmste in den Bilanzen von Unternehmen wie den Jetzendorfern verhindert haben dürfte.

Und der Sportfachhandel? Wie geht es den oft eigenständigen Händlern? Sie konnten im Sommer ebenfalls durchatmen und etwas für die Kasse tun. "Gerade in den Verkaufswochen, in denen wir unsere Geschäfte offenhalten konnten, haben wir erlebt, dass unsere Kunden in allen Individualsportarten unsere maßgeschneiderten Angebote mehr als saisonal üblich genutzt haben", sagt Stefan Herzog unserer Zeitung. Er ist Präsident des Verbands Deutscher Sportfachhandel und zugleich Präsident des Europäischen Sportfachhandelsverbands FEDAS. Herzog glaubt sogar, dass der Trend zum Outdoor-Sport dazu beigetragen habe, im Sommer und Herbst 2020 die Ansteckungszahlen mit Corona etwas einzudämmen.

Aber spätestens seit Beginn des zweiten harten Lockdowns im Dezember hat sich das Blatt gewendet. Viele Geschäfte ringen erneut mit den Corona-Folgen. Mit Blick auf die aktuelle Lage und den Beitrag der Branche zur Gesundheit der Menschen richtet sich Herzog direkt an Jens Spahn. "Darum hat uns, als den systemrelevanten Einzelhandel in Sachen Sport, der Rückzieher unseres Bundesgesundheitsministers enttäuscht und verärgert. Er hatte ja nach dem ersten Lockdown öffentlich versprochen, im Falle eines zweiten Lockdowns den Einzelhandel von strikten Schließungsmaßnahmen auszunehmen", klagt Herzog an. Und im Vertrauen auf diese Aussage hätten die Händler dann auch disponiert und ihr Angebot im Bereich Outdoor an die laufende Saison angepasst. "Mit all den Umsatzverlusten, die jetzt bei geschlossenen Geschäften auflaufen", erklärt Herzog.

Nun kämpfe sein Berufsverband dafür, dass die Sportgeschäfte so schnell wie möglich wieder öffnen. Einer dieser Läden gehört Werner Junglas. Er betreibt sein Sportartikelgeschäft in Schrobenhausen und berichtet von massiven Umsatzverlusten. "Es geht im Grunde darum, irgendwie den Winter zu überstehen. Ab April wird es sich sicher wieder normalisieren", sagt er. Wer Miete zahlen müsse, habe es besonders schwer. Derzeit können Waren nur bestellt und dann am Laden abgeholt werden. Immerhin - doch die sonst wichtige Laufkundschaft sei so natürlich ausgeschlossen. Dezember und Januar sind laut Junglas eigentlich die stärksten Monate des Jahres, gerade wegen der Ski- und Wintersportler.

Er und viele seiner Kollegen sitzen in diesen Tagen aber auf jeder Menge brandneuer Ware. "Wenn wir erst im März wieder öffnen dürfen, kauft Ihnen das keiner mehr ab", sagt Junglas. Und die versprochen Hilfen seien auch noch nicht da. "Ich kenne auch keinen, der schon etwas ausgezahlt bekommen hätte."

Wie viele Sportfachhändler derzeit aufgrund der Schließungen von der Zahlungsunfähigkeit bedroht sind, obwohl viele Menschen gerne draußen sind und auch durchaus Geld für Outdoor, Freizeit und Fitness ausgeben würden, konnte nicht ermittelt werden. Verbandschef Herzog erklärt aber: "Als Unternehmer sind wir zusammen mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genauso Opfer dieser Katastrophe wie die gesamte Bevölkerung und unsere Kunden. Dass so eine Situation, vor allem wenn sie bereits zweimal eingetreten ist, für alle unsere Geschäfte im Extremfall sogar lebensbedrohend sein kann, ist uns allen klar."

Als Verband für den Sportfachhandel ermutige man daher auch alle Mitglieder und Sporteinzelhandelskollegen, "jede Möglichkeit zu ergreifen, die sich ihnen bietet, in dieser Krise nach wie vor die Zahlungsfähigkeit ihrer Unternehmen zu erhalten." Hilfreich sei etwa die Entscheidung vieler Geschäfte, auch in Zukunft auf ein sogenanntes hybrides Angebotskonzept zu setzen und dieses weiter auszubauen. Stefan Herzog meint vielsagend: "Für uns ist Omnichannel-Marketing - erfolgreich betrieben - unsere geschäftliche Corona-Impfung."

Auch für Firmen wie Lowa ist der Lockdown schwierig. "Wir sind eine Marke, die stark im stationären Handel vertreten ist. Durch den Lockdown haben wir deshalb einen stärkeren Umsatzrückgang in dieser Zeit erfahren. Als der Lockdown beendet war, hat der Umsatz dann aber auch entsprechend wieder angezogen", sagt Geschäftsführer Nicolai mit Blick auf Frühjahr 2020.

DK


Christian Tamm