Hilferuf kommerzieller Textilsammler

Die Corona-Krise hat auch das Geschäft mit Altkleidern ruiniert - Nun sollen die Kommunen unterstützen

07.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:16 Uhr
Das Sammeln von Altkleidern war bis zur Corona-Pandemie durchaus lukrativ. Doch nun - die Märkte sind zusammengebrochen und das Angebot in Folge von massenhaft ausgedünnten Kleiderschränken groß - leidet die Branche der kommerziellen Textilverwerter massiv. −Foto: Erichsen, dpa-Archiv

München - Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf den kommerziellen Alttextilmarkt.

 

Die Lager sind voll - allein in Bayern kamen im vergangenen Jahr rund 126000 Tonnen zusammen. Und die Preise sind im Keller - im Schnitt fielen sie in den vergangenen Jahren um rund 20 Prozent. Hinzu kommt, dass viele Bürger die Corona-Beschränkungen nutzten, um daheim auch mal im Kleiderschrank richtig auszumisten, dann die zu engen Jeans, verwaschenen Hemden oder den ausgeleierten Pullover aber nicht so entsorgten, wie sich das der Fachverband Textilrecycling (FTR) wünschen würde.

Der Altkleidermarkt hierzulande war auch für gemeinnützige Organisationen wie etwa die Diakonie ein gutes Geschäft. Doch durch die neue Konkurrenz sind die Preise in den letzten Jahren gefallen. Im Freistaat ist das Sammelaufkommen laut bayerischem Umweltministerium in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich gestiegen "Und damit sinken die Erlöse der gemeinnützigen Einrichtungen, sofern sie die gesammelten Altkleider überhaupt noch losbekommen", klagt die Landtagsabgeordnete Martina Fehlner (SPD). Einst gab es bis 700 Euro je Tonne, inzwischen nur noch einen Bruchteil.

Hinzu kommt: "In das Entsorgungsverhalten der Bürger hat sich in den letzten Wochen eine besorgniserregende Entwicklung etabliert", klagt FTR-Verbandsvorsitzender Martin Wittmann. Kleider-Spenden und textilfremde Abfälle seien neben die Altkleidercontainer gestellt und die Plätze "regelrecht vermüllt" worden. Wittmann beklagt einen "doppelten Verlust. Wertvolle Textilien gehen verloren und es entstehen enorme Zusatzkosten, da die unbrauchbar gewordenen Altkleider von unseren Unternehmen kostenpflichtig entsorgt werden müssen". Und dies sei dann weder umweltfreundlich noch wirtschaftlich.

Unverschuldet also sei seine Branche in Not geraten, so der Verbandschef weiter: "Seit Wochen gibt es durch die Schließung der weltweiten Alttextilmärkte keinerlei Möglichkeiten mehr, Erträge zur Finanzierung der Recycling- und Entsorgungskosten zu erzielen. So geraten immer mehr Sammler in finanzielle Schieflage und können ohne Hilfe von Dritten ihrer Sammlerpflicht kaum noch nachkommen. " Auch das Erreichen der begrenzten Lagerkapazität für Sammelware führe unabdingbar zur Einstellung von Sammlungen und somit zum Abzug oder Sperrung von Altkleidercontainern in vielen Regionen, prophezeit der Verbandschef weiter.

Deshalb sollen jetzt die Kommunen dem FTR kräftig unter die Arme greifen. Unter anderem fordert Martin Wittmann die Einstellung von Vergütungen an die Kommunen sowie die Befreiung von Mietzahlungen für die gewerblichen Altkleidercontainer. "Darüber hinaus muss bei künftigen Ausschreibungen der Sammlung von Alttextilien für die Entsorgung der ungewollten Störstoffe dringend eine Kostenübernahme durch die kommunalen Auftraggeber enthalten sein. " Für die bereits jetzt vorhandenen sogenannten Störstoffe - also Müll, mit dem die Alttextilbranche nichts anfangen kann - verlangt der FTR-Chef "möglichst kurzfristig kostenfreie Entsorgungsmöglichkeiten".

Das kann man dem Verband aber auch negativ auslegen. Die privaten Sammler möchten nur noch die Vorteile in Anspruch nehmen, für die entstehenden Unkosten durch mögliches Fehlverhalten der Bürger sollen aber die Kommunen aufkommen. Dabei hatten diese einst sogar über Gerichtsinstanzen darauf gedrungen, dass nicht nur die Kommunen selbst und die gemeinnützigen Organisationen, sondern eben auch profitorientierte Firmen ein Stück von dem früher recht lukrativen Kuchen abbekommen.

Beim Bayerischen Landkreistag hat man nach den Worten des Geschäftsführers Johann Keller zwar "großes Verständnis für die durch Corona ausgelöste Notlage, die derzeit viele Gewerbetreibende trifft. Dies gilt besonders auch für langjährige verlässliche Partner. Unsere Wirtschaft wieder in die richtigen Bahnen zu lenken, hat oberste Priorität. " Doch auch die Kommunen, so Keller weiter, stünden vor Herausforderungen wegen wegbrechender Steuereinnahmen und der Auswirkungen auf die Haushalte. "Der Umfang der Beeinträchtigungen ist noch nicht abschätzbar. Die staatliche Ebene arbeitet unter Hochdruck an Lösungen. Wir bitten um Verständnis, dass Sonderregelungen für einen sehr begrenzten Bereich problematisch sind. "

DK

Andre Paul