Ingolstadt
Bildung und Nachhaltigkeit: Was machen Schulen?

01.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:29 Uhr
Ina Limmer ist Nachhaltigkeitskoordinatorin und Leiterin des neuen Nachhaltigkeitsbüros der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. −Foto: KU Eichstätt

Ingolstadt - Kindern und Jugendlichen fehlt häufig der Bezug zur Natur, weil diese aus dem Alltag immer mehr verschwindet. Deshalb ist es umso wichtiger, dass ihnen von klein auf nachhaltiges Denken und Handeln nahegebracht wird. Schulen sollen dabei helfen.

Mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Schule statt von den Eltern mit dem Auto gefahren werden, Schulhefte und Malblöcke aus Recyclingpapier, Schnellhefter aus Pappe statt aus Kunststoff und das Pausenbrot in einer Box statt in Alufolie oder Zellophan – schon mit vermeintlich kleinen Dingen können Eltern ihre Kinder für nachhaltiges Denken und Handeln sensibilisieren. Auch die Schule übernimmt hierbei eine große Verantwortung, denn im Durchschnitt verbringen Kinder und Jugendliche circa 35 Stunden pro Woche in der Schule, sie ist quasi ein „zweites Zuhause“. Darum wird das Thema Nachhaltigkeit in den Schulalltag integriert. Das beginnt beispielsweise schon beim Energiesparen in den Klassenräumen. Die Kinder sollen lernen, dass in längeren Pausen und an sonnigen Tagen die Unterrichtsräume nicht künstlich beleuchtet werden müssen. Hierfür kann ein „Lichtdienst“ wöchentlich ernannt werden, der darauf achtet,dass die Lichter ausgemacht werden. Imagoeiner

Maria-Ward-Realschule

Den gerechten Handel mit Gütern und Ressourcen an der Schule ins Bewusstsein rufen, das ist das Ziel der kirchlichen Maria-Ward-Realschule in Eichstätt. Seit 2015 ist  sie bereits eine Fairtrade-Schule und hat das  Siegel seitdem  zweimal verlängert. Mit Projekten wie einen Fair-o-Maten, an dem rund um die Uhr nachhaltige Snacks gekauft werden können oder einem fairen Schulfrühstück, dessen Motto „Fair, regional, saisonal und bio“ ist, macht die Schule Nachhaltigkeit  erlebbar. Dazu gehört auch, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit Themen  wie ökonomischem Energieverbrauch, Mülltrennung, dem richtigen Umgang mit Lebensmitteln und dem eigenen Konsumverhalten intensiv auseinandersetzen.   Außerdem gibt es seit dem Schuljahr 2013/14 das Wahlfachangebot „Fairtrade“. Und auch eine Nachhaltigkeits-AG soll in diesem Schuljahr starten. Das Ziel der Schule ist es, Einzelaktionen noch besser zu koordinieren und die Zusammenarbeit einzelner Personengruppen wie Schulträger, Hausverwaltung, Schulleitung, Kollegium, Schüler und Eltern zu stärken. Lehrerin und Fairtrade-Koordinatorin Sandra Springer  befürchtet aber, dass Nachhaltigkeit nur als Modeerscheinung auftreten könnte und schnell wieder in Vergessenheit gerät.  Auch wenn es um finanzielle Mittel geht, könne es schwierig werden, da nachhaltige Anschaffungen nicht automatisch billiger seien, so Springer. 

Katharinen-Gymnasium

Erst im vergangenen Schuljahr wurde das Katharinen-Gymnasium in Ingolstadt  zum sechsten Mal für seine Nachhaltigkeitsprojekte als „Umweltschule in Europa/Internationale Nachhaltigkeitsschule“ ausgezeichnet. Unter anderem erhielt das Projekt „Insektenhotels & Nistkästen“ einen Preis. Dafür haben Schülerinnen und Schüler der Nachhaltigkeits-AG Kästen aus Holz gebaut, die als Nisthilfe  – teilweise auch zum Überwintern – für Insekten dienen sollen. In den Hotels befinden sich Holzstämme, Bambusrohre und Gitterziegel mit unterschiedlich großen Löchern, damit sich eine Vielzahl an verschiedenen Insekten ansiedeln können. Das „Katherl“ hat  außerdem eine eigene Schulimkerei, die derzeit drei kleine Kästen mit Ablegern von Bienenvölkern eines Lehrers besitzt. Die neuen Bienenvölker wurden benötigt, da die Varroamilbe die bisherigen Völker vernichtet hat. Die Bienen sollen den Winter überleben, ehe sie im Frühling Pollen einsammeln und Honig in den Waben ablegen. Den fertigen Honig dürfen dann Mitglieder der Imker-AG zum Eigenverbrauch nutzen oder er dient als Geschenk für Partnerschulen. Für die Imkerei erhält die Schule vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium einen Zuschuss von 300 Euro pro Jahr. Neben weiteren Projekten hat die Nachhaltigkeits-AG einen Nachhaltigkeits-Guide erstellt, der über Möglichkeiten informiert, in Ingolstadt nachhaltiger zu leben.

Das sagt das Kultusministerium

 Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist auf vielfältige Weise in bayerischen Schulen verankert. Sowohl in der Bayerischen Verfassung als auch im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) sind alle bayerischen Schulen zur Umweltbildung verpflichtet. Damit sich Schulen intensiv mit der Thematik auseinandersetzen, wurden sogenannte „Richtlinien für die Umweltbildung an bayerischen Schulen“ erlassen. Diese sind von den Lehrkräften altersgemäß umzusetzen und auch bei der Erstellung von Lehrplänen zu beachten. Unter anderem muss jede bayerische Schule eine(n) Umweltbeauftragte(n) haben sowie Arbeitsgruppen beziehungsweise Umweltgruppen. Den Schülern  müssen außerdem Wahlkurse zum Thema Nachhaltigkeit angeboten werden. Es gibt auch für Lehrkräfte unterschiedliche Aus- und Fortbildungen. 
 
Das Kultusministerium  unterstützt die Schulen auch durch eine neu gegründete Arbeitsgruppe . Allerdings  ist „eine darüber hinausgehende finanzielle Förderung einzelner Projekte und Schulen seitens des Kultusministeriums nicht möglich“, so Sprecherin  Julia Kuntz. 

"Wir wollen es niemandem aufdrücken" - Interview mit Ina Limmer, Leiterin des neuen Nachhaltigkeitsbüros der KU

Frau Limmer, was versteht die KU unter Nachhaltigkeit?

Ina Limmer: Es geht uns um eine ausgewogene Entwicklung zwischen ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten, aber mit einem Schwerpunkt auf die starke Nachhaltigkeit. Das heißt, dass wir die Belastungsgrenzen der Erde als Grundlinie sehen, die wir auf jeden Fall einhalten sollten und in dem Rahmen wir diese soziale und ökologische Entwicklung gestalten sollten. Auch immer mit Blick auf die globale Gerechtigkeit.

Was ist an der KU nachhaltig? Wie bringt man den Universitätsangehörigen die Thematik näher?

Limmer: Wir haben seit 2010 ein Nachhaltigkeitsgesamtkonzept, das Ziele  bis 2020 vorgeschrieben hat, und wir haben auch dieses Jahr ein neues verabschiedet, das Ziele bis 2030 vorgibt. Im neuen Konzept haben wir sechs Handlungsfelder ausgewiesen: Forschung, Lehre, Campusmanagement, Transfer, studentische Initiativen und Engagement und Governance, also alles was die Strukturen der Uni umfasst. Und in den Handlungsfeldern haben wir eben Ziele und Maßnahmen, die wir jährlich angehen. Zum Beispiel  haben wir für Studierende seit letztem Wintersemester ein Zusatzstudium Nachhaltige Entwicklung, wo jeder ab dem dritten Bachelorsemester sich in vier Modulen mit Nachhaltigkeit in verschiedenen Varianten beschäftigen kann. Wir haben außerdem Masterstudiengänge, die den Fokus auf Nachhaltigkeit setzen. Zum Beispiel  den Masterstudiengang „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, den ich auch mitbetreue, oder „Tourismus und nachhaltige Regionalentwicklung“. 

Das sind jetzt Angebote,  bei denen  ich mich als Student aktiv dafür einschreiben beziehungsweise mich wirklich für Nachhaltigkeit interessieren muss. Werden aber von der KU Auflagen gemacht, damit man sich mit dem Thema befassen muss? 

Limmer: Der Alltag auf dem Campus ist schon möglichst so gestaltet, dass man sich nachhaltig verhält, also Mülltrennen und  Dinge, die inzwischen eigentlich alltäglich sind. Wir beziehen zum Beispiel auch Ökostrom. Wir möchten es aber niemandem aufdrücken, es ist eher eine Werthaltung. Die Studierenden sollen sich von sich aus mit der Thematik beschäftigen und dann eben entscheiden, so und so handle ich, weil ich das für richtig empfinde. Durch die vielen Angebote, Veranstaltungen und der studentischen Initiative hoffe ich immer, dass jeder Studierende mindestens einmal in seinem Studium mit dem Thema in Berührung kommt. Aber da ist natürlich noch viel Luft nach oben. 

Was war der ausschlaggebende Punkt, weshalb sich die KU intensiv mit Nachhaltigkeit beschäftigt hat? 

Limmer: Das waren ganz viele Faktoren. Zum einen war unser Umweltreferat, also die studentische Initiative, sehr hartnäckig. Bereits seit der Rio-Konferenz 1992 hat sie immer wieder die Hochschulleitungen und Professoren kontaktiert und gesagt, dass  das die große Zukunftsaufgabe ist, wo sich auch die Uni positionieren muss. 2010 hat auch die Hochschulrektorenkonferenz erste Hinweise darauf gegeben, dass das ein Thema für Hochschulen wäre. Und für unsere ehemalige Nachhaltigkeitsbeauftragte Frau Hemmer, die seit 2010 die Stelle inne hatte und dieses Jahr in Rente gegangen ist, war es einfach auch eine Herzensangelegenheit. Sie hat sich weit über ihre Stelle hinaus engagiert und sich aus Überzeugung dafür eingesetzt. 

Es gab ja bereits eine externe Evaluation. Wie ist diese denn ausgefallen? Und welche Schlüsse kann man daraus ziehen? 

Limmer: Sogar das Expertengremium von Professoren und Professorinnen, die sich mit Nachhaltigkeit an Hochschulen beschäftigen, war überrascht, wie viel an der KU schon da ist. Das war für uns  schön zu sehen. Ansonsten war es eben auch wichtig, dass die Strukturen geschaffen sind und dass es nicht nur von einer Person abhängig ist, sondern dass Stellen und Zuständigkeiten fest verankert sind an der Uni.  Im Großen und Ganzen war die Evaluation sehr positiv, aber es gibt natürlich auch Ziele, die wir weiter verfolgen müssen. 

Was würden Sie gerne noch abschließend zu dem Thema sagen?

Limmer: Bei Menschen, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben, fällt mir immer auf, dass Nachhaltigkeit negativ behaftet ist und man es mit einschränken verbindet. Aber wenn ich  jetzt  so meinen Lebensstil ansehe, würde ich nicht sagen, dass ich mich einschränke, sondern dass es einfach  nur eine Prioritätenverschiebung ist.   

Nachhaltige Forschung in Augsburg

Seit den späten 1990er-Jahren engagiert sich die Universität Augsburg für das Thema Nachhaltigkeit. Ausschlaggebender Punkt für die Gründung des Wissenschaftszentrums Umwelt (WZU) war  die Ansiedlung des Bayerischen Landesamts für Umwelt in Augsburg sowie die Gründung des Kompetenzzentrums Umwelt. 

Gut entwickelt ist das Thema  vor allem in Forschung und Lehre, teilt die Universität mit. Derzeit wird an der medizinischen Fakultät ein Forschungsschwerpunkt Umwelt und Gesundheit aufgebaut. Außerdem gibt es an der Theologischen Fakultät einen Masterstudiengang Umweltethik, der deutschlandweit einmalig ist. Zusätzlich werden Lehrveranstaltungen mit dem Landesamt für Umwelt und der Stadt Augsburg, die für ihr nachhaltiges Wassermanagementsystem als Unesco Kulturerbe ausgezeichnet wurde, angeboten.  
 Jens Soentgen, Leiter des WZU, sieht allerdings noch Bedarf in der Entwicklung der Nachhaltigkeit auf der Fläche und im Betrieb der Universität. „Eigentlich müsste es in der Universitätsleitung einen Vizepräsidenten geben, der für Nachhaltigkeit zuständig ist und einen Nachhaltigkeitsbeauftragten in  der Verwaltung“, sagt Soentgen. 

Für ihn darf Nachhaltigkeit nicht nur auf Initiativen Einzelner beruhen, sondern müsse von der Universitätsleitung gefördert und gefordert werden.  Und in der Lehre müsse sichergestellt werden, dass jeder Student, jede Studentin, egal aus welchem Fach, sich mindestens einmal  intensiv wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt hat, so Soentgen. Ihm fehle auch eine Förderung durch den Staat für praktische Projekte vor Ort. „Nachhaltigkeit predigen ist leicht, Nachhaltigkeit  umzusetzen aber schwer“, sagt Soentgen.  Die Pressesprecherin des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, Julia Graf, bestätigt die fehlende Förderung mit folgender Erklärung: „Mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit können wir den Hochschulen vonseiten des Wissenschaftsministeriums keine Inhalte in Forschung und Lehre machen.“ Dennoch sei das Thema „Nachhaltigkeit“ im Innovationsbündnis Hochschule 4.0 verankert.

 

Daniela Blaimer