Steht Byton kurz vor dem Kollaps?

E-Auto-Start-up soll in schweren finanziellen Turbulenzen stecken - Standort München droht das Aus

15.02.2021 | Stand 24.02.2021, 3:33 Uhr
Daniel Kirchert wollte mit Byton durchstarten. Nun ist sowohl seine Zukunft als auch die der Marke ungewiss. −Foto: Sokolow, dpa-Archiv

Ingolstadt/München - Elektromobilität boomt.

 

Und jeder, der dieses Segment bedient, hat selbst in der aktuellen Krise punkten und teils sogar ordentliche Gewinne machen können. Nicht so das chinesische Start-up Byton, das auch nahe München präsent ist. Für die Marke sind es wahrlich Monate zum Vergessen. Einst galt Byton vielen Insidern der Branche als einzig ernstzunehmender Tesla-Jäger. Innovativ, auffälliges Design und erfahrene Köpfe aus der Autoindustrie am Ruder. Doch seit Wochen überschlagen sich die Meldungen, wonach die E-Auto-Manufaktur in Teilen sogar vor der Insolvenz stehe. Manager nehmen Reißaus und die Produktion wurde bereits im Sommer 2020 gestoppt - vorerst, wie damals zu hören war.

Ein Grund für diese Turbulenzen sollen fehlgeschlagene Finanzierungsrunden im Laufe des anspruchsvollen Corona-Jahres sein, wie Branchen-Blätter berichteten. Schon länger gibt es Gerüchte, Byton stecke tief in einer finanziellen Klemme. "Business Insider" meldete etwa, dass japanische und südkoreanische Investoren Zahlungen aufgrund der Pandemie zurückhalten würden. Ob nun der chinesische Staat dem früher hoffnungsvollen Unternehmen unter die Arme greifen wird, ist ebenfalls ungewiss.

Aber warum tut sich Byton so schwer, während Tesla immer weiter durchstartet und auch die etablierten Hersteller wie VW bei der E-Mobilität rasant aufholen? Der renommierte Automobil-Experte und Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, Stefan Bratzel, erinnert daran, dass es auch schon anderen so ergangen ist: "Start-ups können immer mal in eine schwierige Phase kommen. Auch bei Tesla war es einst sehr knapp", sagt er gegenüber unserer Zeitung. Und Nio, das andere bedeutende E-Auto-Start-up aus China, sei kurz vor der Insolvenz gestanden, weise jedoch heute eine hohe Marktkapitalisierung auf.

Eigentlich wollte Byton in naher Zukunft den E-Markt in Europa und Nordamerika aufmischen. Der SUV M-Byte, der auf der IAA 2019 Premiere feierte und dessen Armaturenbrett im Grunde nur aus einem riesigen Monitor und einem Lenkrad besteht, sollte heuer die Konkurrenz angreifen. Tausende Vorbestellungen habe es bereits gegeben. Dazu, ob Byton jemals ein Fahrzeug auf die Straße bringen wird, will sich Bratzel nicht festlegen. Das hänge im Wesentlichen von den Investoren ab. Es geht um Milliarden, die es brauche, um eine Vision auch auf den Markt zu bekommen. In technischer Hinsicht habe das chinesische Unternehmen aber durchaus tolle Dinge gezeigt, wie der Experte noch befindet. Und nun soll Foxconn, ein Auftragsproduzent aus Taiwan, interessiert sein, mit Byton zusammen Autos herzustellen.

Doch die Probleme der Marke gehen wohl tiefer und das Start-up machte zuletzt viele Negativschlagzeilen - auch die Deutschland-Tochter mit Sitz in Ismaning. Wie die "Automobilwoche" berichtete, werde das dortige Entwicklungs- und Designzentrum geschlossen. Der Mietvertrag sei bereits gekündigt, Rechnungen würden nicht mehr bezahlt. Im Raum stehe sogar der Vorwurf der Insolvenzverschleppung und die Staatsanwaltschaft München I sei bereits an der Arbeit. Diese teilt am Montag auf Anfrage unserer Zeitung mit, man prüfe "derzeit im Rahmen eines sogenannten Vorprüfungsverfahrens, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden soll. " Zuletzt kamen zudem Meldungen hinzu, wonach sich Deutschland-Chef Daniel Kirchert, ein ehemaliger BMW-Manager, nach Fernost abgesetzt haben soll - was Byton jedoch schnell dementiert hat.

Wie es weitergeht, ist noch offen. Schon vor einiger Zeit haben viele Gesichter der ersten Stunde das chinesische Start-up verlassen und sich neuen Aufgaben zugewandt. "Das ist natürlich niemals ein gutes Zeichen für ein Unternehmen", so Branchenkenner Bratzel. Eines dieser Gesichter war Henrik Wenders, der seit 2020 neuer Markenchef des Ingolstädter Autoherstellers Audi ist. Ein anderes Designchef Benoit Jacob. Er war vor seiner Zeit bei Byton etwa für das Design der i-Baureihen von BMW verantwortlich.

DK