München
Audi-Prozess: Es bleibt zäh

Im Münchner Prozess um den Dieselbetrug sind erst ein Dutzend von mehr als 600 erfassten Zeugen gehört

21.04.2021 | Stand 23.09.2023, 18:08 Uhr
  −Foto: dpa

München - Im ersten Strafprozess auf deutschem Boden rund um den Dieselbetrug bei Audi tastet sich das Münchner Gericht nur mühsam voran.

An den Verhandlungstagen 38 und 39 kam diese Woche ein ehemals in der Abgasnachbehandlung tätiger 48-Jähriger zu Wort. Es geht darum festzustellen, inwieweit betrügerisches Handeln vorliegt, was das Verhalten von Dieselfahrzeugen bei Abgastests angeht. Softwaretricks sollen bewirkt haben, dass die Steuerung der Abgasminderung auf der Testrolle anders funktionierte als auf der Straße. Die Arbeit der Strafkammer bleibt zäh, weil viele Details zu klären sind, die schon im Vorfeld durch die Staatsanwaltschaft hätten hinterfragt werden können, um das Prozedere abzukürzen.

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So wirft das langwierige Vorantasten im Gerichtssaal zunehmend die Frage auf, wie der ohnehin schon großzügig bemessene Zeitplan für das Verfahren eingehalten werden soll. Die Urteilsverkündung ist bekanntlich für Dezember 2022 vorgesehen. Fast sieben Monate nach Prozessauftakt im September sind gerade einmal rund ein Dutzend Zeugen gehört worden, manche über mehrere Verhandlungstage hinweg.

Allein die Namen der übrigen Zeugen füllen 26 Seiten der Anklage, gut 600 sind erwähnt. Bei vielen handelt es sich um Mitglieder der Diesel-Task-Force bei Audi, per Fragebogen vernommene Händler oder Betroffene aus den USA. Auf der Liste befinden sich unter anderem auch 20 Beschäftigte des Kraftfahrtbundesamts, der Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Mosch, Vertreter der Audi-Rechtsabteilung sowie frühere Audi-Vorstandsmitglieder wie Bram Schot, Wendelin Göbel, Alexander Seitz, Peter Mertens, Thomas Sigi, Ulrich Hackenberg, Axel Strotbek und Hubert Waltl. "Wenn wir nur einen Teil davon anhören, sitzen wir noch in vier Jahren da", meinte diese Woche ein Prozessbeteiligter angesichts des schleppenden Verlaufs.

In dem Verfahren sind neben dem früheren Entwickler Henning L. und seinem Chef Giovanni P. der einstige Audi-Chef Rupert Stadler und der ehemalige Porsche-Vorstand und Ex-Motoren-Chef Wolfgang Hatz wegen Betrugs angeklagt. Stadler soll Autos mit manipulierter Software weiter in Europa verkauft haben, nachdem der Skandal aufgeflogen war. Die Anhörung des 48-jährigen Zeugen bestätigte am Dienstag und Mittwoch einmal mehr, dass der Grundstein für die Softwaremanipulationen schon um 2008 gelegt worden war. Das Gericht hielt ihm unter anderem eine von ihm verfasste E-Mail vom 12. August 2008 an einen Kollegen vor, in der von Betrügereien bei Abgastests die Rede ist. Eine Erklärung für diese Formulierung lieferte der Mann nicht. In der Abteilung für Abgasnachbehandlung sei zwar von "intelligenten Lösungen" die Rede gewesen, um die Abgaswerte auf der Testrolle einzuhalten, nicht aber von "Defeat Devices", also Betrugsvorrichtungen, sagte er. Er räumte aber ein, dass es zu Manipulationen bei der Abgastechnik gekommen war.

Der 48-Jährige galt bis vor Kurzem selbst als Beschuldigter, das Verfahren gegen ihn ist inzwischen vorläufig eingestellt. Er ging, als der Skandal aufgeflogen war, davon aus, dass nur Fahrzeuge für den US-Markt, nicht aber für Europa manipuliert waren. Das deckt sich mit Aussagen Rupert Stadlers, der nach eigener Aussage stets geglaubt hatte, nur Dieselautos für Nordamerika seien betroffen.

Je länger das Verfahren dauert, desto mehr bestätigt sich die Einschätzung des Angeklagten L. , die er seinen Anwalt Maximilian Müller gleich am zweiten Verhandlungstag kundtun ließ: "Nach dem Verständnis von Herrn Dr. L. gibt es keine konkrete Antwort auf die Frage, wann und durch wen die Entscheidung ,pro Manipulationssoftware' fiel", hatte Müller erklärt. Es habe bei Audi keinen aktiven Beschluss gegeben, "ab dem Zeitpunkt X eine Schummelsoftware zu entwickeln und einzusetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen". Der Einsatz der Software sei vielmehr Folge einer schleichenden Entwicklung und "der sich nach und nach zementierenden Erkenntnis gewesen, technisch keine Lösungen anbieten zu können".

Nach Prozesstag 39 gilt diese Erkenntnis nach wie vor, ohne dass bisher wirklich stichhaltige Beweise für ein strafbares Handeln der angeklagten Ex-Führungskräfte zur Sprache gekommen wären. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

DK

Horst Richter