Ingolstadt
Mehr träumen, weniger arbeiten

Audi-Interimschef Bram Schot will einen radikalen Unternehmenswandel - mit ungewöhnlichen Mitteln

09.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:55 Uhr
Hashtags auf der Brust: Audi-Interimschef Bram Schot kam am Freitag im MQ-Summit-Shirt auf die Bühne - in Größe L, nicht XL wie er betonte. −Foto: Oppenheimer

Ingolstadt (DK) Probleme über Probleme: Bram Schot hat die Leitung des Ingolstädter Autobauers Audi in einer schweren Zeit übernommen. Auf dem MQ-Summit in der GVZ-Halle B erklärte der Interimschef am Freitag, was sich in Zukunft ändern muss, damit man wieder dauerhaft in die Erfolgsspur kommt. Mancher Satz dürfte den einen oder anderen langjährigen Audianer erstaunen.

Statt mit Sakko erklomm Audi-Interimschef Bram Schot am Freitag mit einem T-Shirt über dem Hemd die Bühne des Audi-MQ-Summits. Darauf zu lesen das Motto der zweitägigen Veranstaltung rund um die Zukunft der Mobilität: "Never stop questioning" - "Hör niemals auf, Fragen zu stellen". In einer knapp 40-minütigen Rede in englischer Sprache bewies der Niederländer anschließend Entertainer-Qualitäten. Der 57-Jährige ließ dabei durchaus den Ernst der Lage erkennen - und sparte nicht mit Kritik am eigenen Unternehmen. Dank einiger Pointen gab es für die knapp 700 Zuhörer auch etwas zu lachen.

"Ich bin im Moment mit den Ergebnissen nicht zufrieden", sagte Schot. Wenn man immer so weiter mache wie bisher, könne man nicht erfolgreich sein. Genau das aber habe Audi in den vergangenen fünf Jahren gemacht: "Bekommen haben wir das, was wir nun haben - und das ist nicht genug."

Um die Veränderung voranzutreiben, machte Schot einen auf den ersten Blick ungewöhnlichen Vorschlag: Er wolle, dass die Mitarbeiter künftig nur noch in 80 Prozent ihrer Arbeitszeit arbeiten - die restliche Zeit sollten die Audianer nutzen, um zu träumen, nachzudenken, nachzufragen und zu diskutieren. "Ich meine das ernst", bekräftigte Schot seine Idee. "Wir müssen kein Start-up werden - aber ein bisschen Start-up-Mentalität wäre gut." Er forderte zudem, dass der MQ-Summit künftig zweimal jährlich stattfinde. "Spielen, spielen, spielen statt planen, planen, planen."

Für ein 90000-Mitarbeiter-Unternehmen sei ein Umbruch in der Firmenkultur und der Denkweise schwierig, so der 57-Jährige. Einer seiner Professoren habe einmal gesagt: "Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr sitzt der Feind im Inneren." Und wenn sich die Außenwelt schneller verändere als das Innenleben der Firma, werde das zunehmend zum Problem. Schots Hauptanliegen deshalb: Viel mehr von außen nach innen denken - statt umgekehrt.

Man müsse sich schleunigst von der Vergangenheit lösen. Am Morgen hätten ihm die Designer ein tolles Auto gezeigt, so Schot, und ihm gesagt, es werde 2022 fertig sein. Er habe entgegnet, das sei viel zu spät, man brauche das Auto schon 2020. Die Antwort der Designer: "Das ist verrückt." Dennoch sei er sich sicher, dass die Abteilung nun darüber nachdenke. "Auch wenn das Auto erst 2021 kommt - dann ist das immer noch ein Jahr früher." Das sei das Tolle an den Deutschen, ergänzte Schot mit einem Augenzwinkern: Sie hören auf den Vorstand. "In den Niederlanden hätten sie mich wahrscheinlich in ein Krankenhaus eingewiesen."

Vor allem sei es wichtig, die personellen Strukturen aufzubrechen, betonte Schot. Auch in den niedrigeren Ebenen müsse künftig zügig entschieden werden. "Es ist auch bei Audi unmöglich, alles im Vorstand zu entscheiden." Vertikales deligieren zerstöre ein Unternehmen. "Es ist besser, um Entschuldigung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen."

Die Mutter von Innovation sei die Notwendigkeit, erklärte der Audi-Chef. Als persönliches Beispiel nannte er eine Wette mit seinen beiden sehr sportlichen Söhnen. Weil er nicht verlieren wollte, habe er in Amsterdam an einem Halbmarathon teilgenommen. Durch das Training sei zwar nun sein Rücken kaputt, "aber ich habe zwölf Kilo abgenommen". Der Druck habe sich am Ende positiv ausgewirkt: "Man hat mir für die heutige Veranstaltung ein T-Shirt in XL angeboten - aber ich habe abgelehnt: Ich brauche nur noch L."

Denke man zu sehr von innen nach außen, erkenne man nicht die Dringlichkeit der Situation. "Wenn wir nichts unternehmen, verdienen wir in fünf Jahren nur noch halb so viel", sagte Schot. "Aber: Wir können den Profit in diesem Zeitraum verdoppeln, wenn wir das tun, was ich gerade vorgeschlagen habe."

Bei den geschätzt 50 Prozent Audi-Mitarbeitern unter den Zuhörern kam Schots Rede dem Applaus nach zu urteilen gut an. Allerdings gab es es auch skeptische Stimmen. "Erzählen kann der viel", sagte ein Zuhörer auf dem Weg nach draußen.
 

Sebastian Oppenheimer