Ingolstadt - Audi-Chef Markus Duesmann gilt als umtriebig und ehrgeizig.
Es überrascht nicht, dass er sich nur kurz nach einer jetzt bekanntgewordenen schweren Covid-19-Erkrankung wieder
voll in die Arbeit gestürzt hat. Nun muss er offenbar auf die
Bremse treten: Duesmann hat sich für einige Wochen in eine Rehabilitationsbehandlung begeben.
Ingolstadt Mittwochabend, 14. April 2021: Audi stellt seinen neuen „Volksstromer“ vor. Der Q4 e-tron soll Elektromobilität auf Premium-Niveau für breitere Käuferschichten ermöglichen. Die Veranstaltung wird via Internet in die Welt gesendet, alles läuft Corona-konform ab. Auf der Bühne stehen Führungskräfte des Audi-Universiums; darunter auch der Vorstandschef. Markus Duesmann wirkt wie eigentlich immer dynamisch und lässig.
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Hier ahnte wohl noch keiner, dass die kommenden Tage und Wochen den Manager vor Herausforderungen stellen sollten, die nichts mit dem Bauen von Fahrzeugen zu tun haben. Seit dem gestrigen Mittwoch ist bekannt, dass sich der 52-Jährige im April mit Corona angesteckt und einen schweren Verlauf der Lungenkrankheit Covid-19 durchlebt hatte. Ein Audi-Sprecher bestätigt die Infektion auf Anfrage. Demnach habe der Vorstandschef zwei bis drei Wochen gebraucht, um die Erkrankung auszukurieren.
In der Öffentlichkeit war das alles offiziell weitgehend unbekannt. „Wir haben seine Erkrankung nicht kommuniziert, weil es natürlich die Privatsache von Herrn Duesmann ist“, meint der Sprecher. Das Umfeld habe Bescheid gewusst, der Vorstand musste in Quarantäne. Aus Unternehmenskreisen ist aber zu hören, dass Duesmanns Infektion im Werk einem offenen Geheimnis glich.
Einem Bericht des „Business Insiders“ zufolge habe Duesmann sogar im Krankenhaus behandelt werden müssen. Auch das war wohl in der Belegschaft nicht unbekannt. Dass der Verlauf schwerer gewesen sein muss, scheint gesichert. Was den Aufenthalt im Krankenhaus betrifft, ist Audi offiziell jedoch bemüht, zu beruhigen. Richtig sei, dass der Nordrhein-Westfale im Verlauf der Genesung für einen Gesundheits-Check-up einen Tag in einem Klinikum gewesen ist. Von einer stationären Behandlung jedoch könne keine Rede sein.
Wo sich Duesmann mit dem Coronavirus infiziert hat, ist im Übrigen nicht bekannt. Es soll in einem Kreis geschehen sein, in dem eigentlich alle getestet waren, berichten Stimmen aus dem Unternehmen. Homeoffice war dem Manager nicht immer möglich – wollte er wohl auch gar nicht. Einen Konzern kann man nur schwer vom Sofa aus führen und Duesmann gilt als kommunikativ und umtriebig. Der Mann aus Heek hat hohe Ansprüche an sich. Er ist Rennsport-Enthusiast, leidenschaftlicher Motorradfahrer und spult manchen Kilometer auf dem Mountainbike ab – wenn es sein Terminkalender überhaupt erlaubt. Anpacken und dabei unangestrengt wirken, das kann er gut. Anscheinend konnte ihn sogar die rund dreiwöchige Corona-Erkrankung nicht ausbremsen. Denn schnell kam Duesmann wieder an den Schreibtisch zurück.
Nun aber nimmt er eine Auszeit. Seit vergangener Woche befindet sich Duesmann in einer Reha-Maßnahme. Er soll noch immer mit Spätfolgen seiner Infektion zu kämpfen haben. Der Begriff „Long Covid“ macht die Runde. Tatsächlich teilen die Ingolstädter unter Verweis auf die Privatsphäre Duesmanns lediglich mit, dass der Audi-Chef in Absprache mit seinem Arzt „zwei bis drei Wochen“ pausiere, um für die nächsten Monate „noch mehr Kraft zu haben“.
Duesmann spulte seit der Rückkehr nach seiner Corona-Infektion sofort wieder sein gewohntes Pensum ab. Sitzungen in Ingolstadt und Wolfsburg, Interviews, Dienstreisen. Gerade diese Woche hat der VW-Konzern, in dessen Vorstand der Audi-Chef für Forschung und Entwicklung verantwortlich ist und damit für die Zukunft des Unternehmens eine zentrale Rolle einnimmt, die neue Strategie vorgestellt. Hinter allen Beteiligten liegen anstrengende und lange Wochen. Aber: „Wer Markus Duesmann in den letzten Tagen erlebt hat, konnte deutlich sehen, dass er fit ist“, wie der Sprecher klarstellt. Und andere Aussagen aus dem Unternehmen bestätigen das. Duesmann habe vor Energie und Enthusiasmus gesprüht, ist zu hören.
Seit April 2020 ist Duesmann Chef der vier Ringe. VW-Boss Herbert Diess soll sich persönlich um dessen Verpflichtung vom Konkurrenten BMW bemüht haben. Die beiden gelten als enge Vertraute. Duesmann soll Audi wieder an die Spitze führen, den Konzern elektrifizieren und digitalisieren und Tesla bald vergessen machen. Der Druck auf den 52-Jährigen war und ist immens.
Übrigens sind die Audi-Beschäftigten am Mittwoch über das firmeneigene Intranet MyNet offiziell informiert worden. Die Rückmeldungen seien aufbauend und positiv, so das Unternehmen. Man habe die Mitteilung über die Infektion des Vorstandschefs auch zum Anlass genommen, um einen erneuten Impf-Appell an die Belegschaft zu richten .DK
Christian Tamm