Monheim
Kritik an Monsanto wegen Finanzierung von Glyphosat-Studien

05.12.2019 | Stand 02.12.2020, 12:27 Uhr
„Monsanto“-Hauptsitz in St. Louis, Missouri. −Foto: Daniel Dreifuss/dpa

Monsanto ist bisher keine Erfolgsgeschichte für den Dax-Konzern Bayer: Der Aktienkurs bleibt im Keller und die Glyphosat-Klagewelle wird immer größer. Nun sorgen frühere Geschäftspraktiken der US-Amerikaner für Naserümpfen - mal wieder.

Zwei Glyphosat-Studien sind vor einigen Jahren von der heutigen Bayer-Tochter Monsanto mitbezahlt worden, ohne dass diese Verbindung öffentlich gemacht wurde.

So eine verdeckte Einflussnahme auf die Debatte über den Unkrautvernichter sei „inakzeptabel“, teilte Lobbycontrol am Donerstag mit. Es geht um Studien des Gießener Instituts für Agribusiness, in dem Glyphosat als wichtig für die Landwirtschaft dargestellt wird: Ohne den Wirkstoff würden Milliardenverluste drohen, warnten die Autoren.

Die eine Studie ist von 2011, die andere in überarbeiteter Fassung von 2015. Damals war Monsanto eigenständig, 2018 wurde die US-Firma von Bayer geschluckt. Die Autoren der Studien waren für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.

Zuvor hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über Monsantos Finanzierung der Studien berichtet. Der deutsche Konzern mit seiner Agrarchemie-Zentrale in Monheim (NRW) bestätigte, dass die Studien von Monsanto mitfinanziert wurden. Für die Aussagekraft der Untersuchungen hatte dies nach Ansicht der Firma aber keine Folgen. „Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass, an den Methoden, Inhalten oder Ergebnissen der Studien zu zweifeln“, sagte der Sprecher und fügte hinzu: „Gleichwohl entspricht der fehlende Hinweis auf die Unterstützung durch Monsanto nicht den Grundsätzen von Bayer.“

Der Politikwissenschaftler Ulrich Müller von Lobbycontrol monierte, dass die Verschleierung der Finanzierung „unsauber“ gewesen sei. „Sie erschwert ein kritisches Hinterfragen der Studien - und das ist genau das Ziel dieser Lobby-Methode.“ Zudem gab er generell zu bedenken, „dass industriefinanzierte Studien häufiger zu industriefreundlichen Ergebnissen führen“.

In dem konkreten Fall sei auffällig, dass in einer der beiden Studien extreme Ertragsrückgänge bei einem Glyphosat-Verbot durchgerechnet wurden. „Die Zahlen aus diesem Extrem-Szenario werden dann von den Lobbyorganisationen der Glyphosat-Hersteller ohne Erläuterung verwendet“, sagte Müller. „Das war auch inhaltlich irreführend.“

Die Studien sowie eine 2012 erschienene Kurzzusammenfassung des ersten Werks liegen der Deutschen Presse-Agentur vor. Die Schriften beschäftigen sich nicht mit der Frage, ob Glyphosat gesundheitsschädlich ist, sondern sie sind ein agrarökonomischer Blick auf das Thema. Die Autoren prognostizieren darin Ertragsverluste von bis zu 10 Prozent, sollte Glyphosat verboten werden. „Langfristig können die ökonomischen Verluste, aufgrund des Verlustes der Wirkstoffklasse und der sich dann exponentiell entwickelnden Resistenzvorkommen, noch deutlich höher liegen“, heißt es in besagter Kurzzusammenfassung von 2012.

Die Produktionsrückgänge und Kostenanstiege in der EU-Landwirtschaft bezifferten die Autoren auf bis zu 4,2 Milliarden US-Dollar. „Die Hauptlast tragen dabei die Produzenten, aber auch die Konsumenten und die Steuerzahler sind durch die ansteigenden Preise betroffen.“

Dieser Text wurde in einer Zeitschrift des Julius-Kühn-Instituts publiziert, eine dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstellte Forschungseinrichtung zu Kulturpflanzen. Das Institut teilte auf Twitter mit, man überprüfe die Texte.

Die in den Schriften enthaltenen Pro-Glyphosat-Aussagen kursierten nach Darstellung von Lobbycontrol jahrelang in der politischen Debatte und wurden von Glyphosat-Befürwortern als objektiver Beleg für die Unverzichtbarkeit der Substanz genutzt.

„Monsanto benutzte Kronzeugen mit Professorentitel, um den eigenen Botschaften Glaubwürdigkeit zu verleihen und sich mehr Gehör in der Öffentlichkeit und Politik zu verschaffen“, sagt Politikwissenschaftler Müller. „Das Verschleiern der wirtschaftlichen Interessen erschwert das kritische Hinterfragen und Einordnen der Studien.“ Mit Blick auf den jetzt beginnenden Prozess zur Wiederzulassung von Glyphosat im Jahr 2022 forderte er Bayer auf, bei Studien die Finanzierung klar zu benennen.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner empörte sich über „Monsanto-Mietwissenschaftler“. „Der Fall macht sehr deutlich, dass Bundesregierung und Behörden auf allen Ebenen im besten Fall viel zu gutgläubig sind und vermeintlich unabhängige wissenschaftliche Studien viel gründlicher auf Interessenkonflikte prüfen müssen“, sagte der Grüne. Die aktuell gültige EU-Glyphosat-Zulassung habe dadurch weitere Kratzer bekommen.

Die Linke wertete die Enthüllungen als Beleg, dass Monsanto die Öffentlichkeit „systematisch hinters Licht“ geführt habe. Der Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft sei „unverantwortlich“, erklärte der Linken-Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel.

Es ist nicht das erste Mal, dass Monsanto für die Art und Weise seiner Einflussnahme auf die Glyphosat-Debatte Kritik einstecken muss. So war in diesem Frühjahr bekanntgeworden, dass Monsanto in den Jahren 2016 und 2017 geheime Listen von Glyphosat-Gegnern geführt hatte. Dafür entschuldigte sich Bayer später.

dpa