365-Euro-Ticket in Nürnberg für jeden

Spätestens ab 2023 soll es günstiges Jahresticket geben - Bürgerinitiative gab Ausschlag

17.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:23 Uhr
Unterwegs mit Bus und Bahn - als erste Großstadt in Deutschland will Nürnberg die Bürger mit einem 365-Euro-Ticket zum Umstieg auf den ÖPNV bewegen. −Foto: Pelke

Nürnberg - Nicht nur Hunde können zum Jagen getragen werden - auch Großstädte können zum Handeln gedrängt werden.

Eine Bürgerinitiative um den Linken-Stadtrat Titus Schüller hat mehr als 20000 Unterschriften für die Einführung eines echten 365-Euro-Tickets in Nürnberg gesammelt. Weil in der Frankenmetropole damit ein aussichtsreicher Bürgerentscheid drohte, ist der neue Oberbürgermeister Marcus König (CSU) in die Offensive gegangen und hat hinter den Kulissen einen Kompromiss mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens für die Einführung eines 365-Euro-Tickets für alle in Nürnberg gesucht und gefunden.

Erst am Dienstagabend haben sich die Parteien hinter verschlossenen Türen auf eine Lösung geeignet. Am Mittwochmorgen haben Oberbürgermeister König und Schüller, Stadtrat der Linken und Vorkämpfer des 365-Euro-Tickets, gemeinsam den Fahrplan für die Umsetzung der Preisrevolution im Nürnberger Nahverkehr vorgestellt. "Wir schreiben heute Geschichte. Als erste Großstadt in Deutschland wollen wir ein 365-Euro-Ticket einführen", sagte König. Der Nürnberger Stadtrat stimmte der durchaus kostspieligen Einführung der zuletzt immer lautstärker geforderten Mobilitätswende am Nachmittag zu.

Der gefundene Kompromiss sieht eine stufenweise Umsetzung der drastischen Preissenkung im städtischen Nahverkehr vor. Ab dem 1. Januar 2021 soll es zunächst ein Sozialticket für 15 Euro im Monat geben, das auch zur Rushhour gelten soll. Rund 80000 Menschen sollen einen Anspruch auf das neue Nürnberger Sozialticket haben, das für die Tarifstufe A - diese umfasst Nürnberg, Fürth sowie Teile des Landkreises Fürth - angeboten werden soll. Zwei Jahre später zum 1. Januar 2023 soll das 365-Euro-Ticket für jedermann eingeführt werden.

"Das ist ein großer Erfolg für das Bürgerbegehren und die Linke", freute sich Stadtrat Schüller, der sich seit Jahren für günstigeren Nahverkehr eingesetzt hat. Bei den harten Verhandlungen hinter verschlossenen Türen habe Schüller durchgesetzt, dass es obendrein in den nächsten drei Jahren keine Fahrpreiserhöhung in Nürnberg geben werde. Derzeit kostet der normale Fahrschein bereits satte 3,20 Euro. Für Schüler und Auszubildende ist die Einführung eines günstigen 365-Euro-Jahrestickets in München und Nürnberg mit Geld vom Freistaat bereits beschlossen worden und soll in den dortigen Verkehrsverbünden ab diesem Herbst zum neuen Schuljahr an den Start gehen.

"Das alles kostet viel Geld", räumte König im Hinblick auf die Kompromisslösung ein und verwies darauf, dass allein die Einführung des Sozialtickets ab 2021 pro Jahr zwischen vier und acht Millionen kosten dürfte. Das 365-Euro-Ticket wird für die Kommune noch teurer. König rechnet mit rund 30 Millionen Euro pro Jahr. Falls der Kompromiss nicht zustande gekommen und der Bürgerentscheid erfolgreich gewesen wäre, hätte die Frankenmetropole das 365-Euro-Ticket im schlimmsten Fall sofort einführen müssen. Die im Kompromiss vereinbarte Vorlaufzeit bis zur Einführung in zwei Jahren will König jetzt dafür nutzen, bei Bund und Land um finanzielle Hilfe zu bitten. "Alleine können wir es fast nicht schaffen. Wir müssen Unterstützung bekommen", ist sich der Oberbürgermeister sicher.

"Das ist ein Meilenstein für den Öffentlichen Nahverkehr in Deutschland", sagte König zur historischen Entscheidung in virusbedingt unsicheren Zeiten. Kritisch hat sich nur SPD-Bürgermeister Christian Vogel im Hinblick auf die Kosten geäußert. Allein 2019 hätten Busse und Bahnen in Nürnberg ein Minus in Höhe von rund 90 Millionen eingefahren. Durch die Corona-Krise erwarte Vogel, der auch Aufsichtsratschef der Verkehrsbetriebe ist, heuer ein Rekorddefizit in Höhe von bis zu 130 Millionen. "Wir brauchen nicht nur Unterstützung von Bund und Land. Jetzt müssen auch die Bürger, die nach günstigen Tickets gerufen haben, verstärkt den Nahverkehr nutzen. "

Optimistisch ist die Stadt hingegen, die zusätzlichen Fahrgäste befördern zu können, die wegen der günstigen Preise bald auf Bus und Bahn umsteigen könnten. Für mehr als 200 Millionen habe die Stadt zuletzt neue U-Bahnen angeschafft. Diese dürften allerdings irgendwann abbezahlt sein. Die Subventionen für günstige Ticketpreise muss Nürnberg in Zukunft immer wieder aufs Neue berappen. Vorsichtshalber hat König bereits angedeutet, dass auch 365-Euro-Tickets im Laufe der Jahre alleine durch die Inflation teurer werden können.

DK

Nikolas Pelke