Schrobenhausen
Und täglich grüßt der Ministerpräsident

Wie Seehofers Mitbewerber für das Landtagsdirektmandat mit der besonderen Konstellation umgehen

05.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:42 Uhr

Überall präsent: Horst Seehofer, der auf dem Plakat in der Hörzhausener Straße in Drei Linden zwar keinen Heiligenschein besitzt, dafür aber ein Verkehrsschild - Foto: Spindler

Schrobenhausen (SZ) Er lächelt Autofahrern in Leinwandgröße zu, er spricht vor Tausenden in Bierzelten und er duelliert sich mit Christian Ude im Fernsehen: Horst Seehofer ist zurzeit omnipräsent. Nur seine Mitbewerber für das Landtagsdirektmandat, die lässt er links liegen – weswegen die angesäuert reagieren.

Es ist nicht verwunderlich, dass so mancher beim neuen Stimmkreis Neuburg-Schrobenhausen vom „Seehofer-Stimmkreis“ spricht. Doch Peter von der Grün, Kandidat der Freien Wähler, sagt, davon könne keine Rede sein: „Der wohnt ja in Gerolfing.“ Er selbst stamme dagegen aus Waidhofen, lebe in Rennertshofen und arbeite in Neuburg. Wenn, dann sei es doch wohl sein Stimmkreis.

Dass Seehofer überall im Mittelpunkt steht, nennt von der Grün „unfair, aber verständlich“ – wegen des CSU- und des Amtsbonus’. Ein bisschen verärgert ist von der Grün, wenn er von Podiumsdiskussionen spricht, an denen Seehofer partout nicht habe teilnehmen wollen. „Das hat vielleicht auch mit mangelndem Respekt vor den anderen Kandidaten zu tun“, sagt von der Grün. „Es ist diese Gutsherrenart, aber das kommt immer weniger bei den Leuten an.“

FDP-Kandidat Wolfgang Schmidt aus Aresing sieht das ähnlich: „Der taucht nirgends auf, außer bei den eigenen Veranstaltungen. Das wird sich aber auch für ihn negativ auswirken – er hat ja den Stimmkreis extra für sich machen lassen.“ Nicht zuletzt deshalb sei die absolute Mehrheit für die CSU in Bayern nur schwer zu erreichen, was Schmidt grundsätzlich gar nicht bedauert – so gibt es aus seiner Sicht Chancen für eine Wiederauflage der schwarz-gelben Koalition. Er gibt aber zu, dass er sich ursprünglich mehr von der Kandidatenkonstellation versprochen hatte: „Ich dachte, das ist die Chance für mich. Weil: Wo Seehofer ist, sind die Medien.“ Doch die interessierten sich mehr für den Ministerpräsidenten als für ihn. So ist der FDP-Kandidat wenig zuversichtlich. „Das ist aber bei den anderen Kandidaten auch so“, sagt Schmidt. „Auch wenn der Winter überall groß plakatiert.“

Der Winter, das ist Horst Winter aus Neuburg. Der SPD-Kandidat gibt sich selbstbewusst: „Es ist ein völlig neuer Stimmkreis. Die Startlinie ist für alle gleich.“ Doch er räumt ein: „Die Startblöcke sind natürlich anders eingestellt. Ich als Nebenberufler bin auf die Hilfe Ehrenamtlicher angewiesen.“ Doch er brauche nicht den Windschatten des Ministerpräsidenten. „Ich kämpfe auch nicht gegen jemanden. Es ist eine Bewerbung um ein öffentliches Amt. Wenn ich es schaffe, dass mich 14 000 oder 15 000 wählen, dann bin ich drin.“ Seehofer mache sich umgekehrt nicht den Bruchteil der Gedanken, die sich die Kandidaten über ihn machten. „Warum sollte ich das dann tun“, fragt Winter. Stattdessen fliegt er sozusagen unter Seehofers Radar: In einer Glosse wird seine Frisur bemängelt? „Dann gehe ich zum Friseur“, sagt Winter. Mit der Presse. „Der Seehofer hat natürlich nicht die Zeit, sowas zu machen.“ Außerdem wisse Seehofer, im Gegensatz zu ihm, wenig über Kommunalpolitik. „Ich dagegen bin mit 80 Prozent der Bürgermeister im Landkreis per Du.“ Ehrfurcht? Nicht bei Winter. Beim Neuburger Schlossfest habe er den Ministerpräsidenten getroffen und gesagt: „Hallo Herr Seehofer! Ich bin auch ein Horst.“

Der Aresinger Reinhold Deuter nimmt die Situation zum Teil mit Humor: „Ich bin der Pirat, der Horst Seehofer sein Mandat abnimmt“, sagt er Leuten, die er im Wahlkampf trifft. „Aber das glaubt mir keiner. Ich übrigens auch nicht.“ Deuter findet, dass ein anderer CSU-Kandidat deutlich praktischer gewesen wäre. „Wenn der Seehofer ein Statement abgibt, ist das ein Thema. Wenn ein kleiner Kandidat wie ich das tut, nicht unbedingt.“ Gegen so einen Gegner sei der Wahlkampf „doppelt schwer“, findet Deuter. Zumal Seehofer denke: „Lassen wir die anderen am ausgestreckten Arm verhungern.“ Und so gebe es für Deuter und seine Kollegen nie die Chance, sich direkt mit Seehofer auseinanderzusetzen. „Dabei haben wir doch sehr unterschiedliche Positionen.“

Für Rupert Ebner, den Direktkandidaten der Grünen, ist das die „Arroganz der Macht“, wie er erklärt. „Das mache ich ihm schon zum Vorwurf, das enttäuscht mich sehr. Aber man läuft sich in Ingolstadt ja doch mal über den Weg.“ Ebner war selbst einmal CSU-Mitglied, und kennt Seehofer als Ingolstädter sehr gut. Nachdem er seinen Austritt aus der Partei bekanntgegeben hatte, bat ihn Seehofer zum langen Gespräch in die Staatskanzlei – allerdings ohne Ebner umstimmen zu können. Jetzt hätte Ebner einiges, das er dem Ministerpräsidenten gerne bei einer der Kandidatendiskussionsrunden ins Gesicht gesagt hätte. In einem Interview habe Seehofer beispielsweise auf die Frage, was er tun würde, wenn er einen Wunsch frei hätte, gesagt, er würde die Subventionen für Agrarbetriebe in die freie Landwirtschaft stecken. Im gleichen Moment habe die zuständige CSU-Ministerin Ilse Aigner aber an anderer Stelle die Deckelung dieser Subventionen abgelehnt. Ebner: „Ich habe immer gedacht, dass er souverän ist, aber offenbar liegen – trotz absoluter Mehrheit in den Umfragen – die Nerven blank.“

Das könnte sich auch der Neuburger Roland Keller von der Linken vorstellen. Aber dass Seehofer ihm Aufmerksamkeit nimmt, hat er, wie er sagt, dagegen nicht festgestellt. „Ich habe überall Gelegenheit, mich darzustellen. Da merkt man, dass das Interesse an einer anderen Politik da ist.“ In vielen Gesprächen, die er auch mit Konservativen geführt habe, habe er Verärgerung über Seehofer herausgehört. „Er denkt sich, das ist ein sicherer Wahlkreis“, mutmaßt Keller. „Aber ich wünsche mir, dass sich die Wählerinnen und Wähler nicht einfach so dafür missbrauchen lassen. Selbst, wenn er das Mandat bekommt, wäre es ein Denkzettel, wenn er ein paar Prozent weniger bekommt als sonst die CSU hier.“