Rohrbach
Es geht um die Wurst

Linken-Kandidat Thomas Schwarz will sich in reicher Region für sozial Benachteiligte einsetzen

04.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:43 Uhr

Ein Bastler im Kleinen kann trotzdem ein Visionär im Großen sein: Thomas Schwarz aus Rohrbach bewirbt sich für Die Linke um das Direktmandat im Bundeswahlkreis Freising-Pfaffenhofen. Sollte er scheitern, will der 43-Jährige nicht aufgeben. Er strebt auf kurz oder lang ein politisches Mandat an - Fotos: Ermert

Rohrbach (PK) Ein Linker muss nicht arm sein – er muss nur gegen Armut sein. Den Wahlspruch seiner Partei hat Thomas Schwarz tief verinnerlicht. Um für die Belange der Arbeitnehmer zu kämpfen, hat er viel auf sich genommen.

Jetzt zieht es den 43-Jährigen in die Politik. Der Rohrbacher will bewegen. Das Haus ist neu gebaut. Adrett eingerichtet. Groß. Der Eingang ist einladend. Mit einem strahlenden Lächeln geht Thomas Schwarz die Treppe hinab, in Richtung der gläsernen Haustür. Seine Lebensgefährtin lacht im Hintergrund. „Die Weißwürste sind gleich fertig. Macht schnell“, ruft Tanja Meißner. Gutbürgerlich wirkt alles. Thomas Schwarz begrüßt in Jeans und Hemd – im Grunde könnte er auch ein Konservativer sein.

Ist er aber nicht. Ganz im Gegenteil. Der gebürtige Amberger und gelernte Handelsfachpacker – „das ist der Lehrberuf zum Lageristen“, klärt der Direktkandidat der Linken im Stimmkreis Freising-Pfaffenhofen für die Bundestagswahl auf – blickt auf eine Vita zurück, die eine Nähe zu den großen Volksparteien von Haus aus ausschließt. Als Anfang der 90er Jahre der Elektronikriese Grundig insolvent ging, war Schwarz der Vorsitzende des Betriebsrates. „Wir haben damals die erste Auffanggesellschaft gegründet, die es in Bayern bis dato gegeben hat“, erinnert er sich zurück. Mit großem Erfolg. Von den rund 2000 Beschäftigten konnten rund 70 Prozent wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt untergebracht werden – nach zähem Kampf gegen Arbeitgeber und Wirtschaftsbosse, nach schier unzähligen Umschulungsmaßnahmen und Verhandlungen. „Ich war damals deutschlandweit in den Medien. Mit dem Erfolg, dass einen danach keine Firma in der freien Wirtschaft mehr einstellen wollte“, sagt er im Rückblick.

Schwarz’ Einsatz für die kleinen Leute war ihm schon damals eine Herzensangelegenheit. Für die er kräftig bezahlen musste. Unter dem Strich blieb ihm nichts anderes, als auf die Seite der Gewerkschaften zu wechseln, zu denen er schon als Betriebsrat und gerade im Zuge der Grundig-Insolvenz enge Kontakte geknüpft hatte. „Sie kamen mir entgegen – und ich schloss eine Ausbildung zum Politischen Sekretär an“, erzählt er weiter. Letztlich sei das eine gute Entscheidung gewesen. Jetzt ist der Rohrbacher in dieser Funktion bei der Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten) tätig.

Ein politischer Mensch sei er schon immer, fügt Thomas Schwarz an. Im Hintergrund köcheln die Würste, seine Lebensgefährtin hat noch alles im Griff, stellt schon mal das Bier parat und Gläser dazu. Etwas ungeduldig wird ihr Blick schon. Lange dauert es wohl nicht mehr, bis das Weißwurstfrühstück fertig ist. Aber ihr Lebensgefährte lässt sich nicht aufhalten, redet weiter, erzählt und schweift aus. Zur Partei ist er erst vor Kurzem gekommen. Eine Funktion übt er bei den Linken noch nicht aus. Aber er will helfen. „Wir werden in Bayern wohl kaum eine Volkspartei werden. Aber wenn uns von 100 Bürgern nur sechs wählen, sind wir schon völlig zufrieden“, sagt er. Klar sei es kompliziert, in einer derart boomenden Region wie rund um Pfaffenhofen mit sozialen Themen auf Stimmenfang zu gehen. Aber ein Ding der Unmöglichkeit sei es nun auch wieder nicht. „Das wird oft unterschätzt. Es gibt auch hier Arbeitslose, viele Geringverdienende, alleinerziehende Mütter, Zeitarbeiter mit minimalen Löhnen – sie alle sind unsere Zielgruppe“, räumt er ein. Viel Geld stehe ihm im Wahlkampf nicht zur Verfügung. Daher versucht er, ran an die Leute zu kommen, rein in die sozialen Brennpunkte zu gehen. Nach Ingolstadt ins Piusviertel, nach Pfaffenhofen zu den sozial Benachteiligten. „Der Mietpreis in Pfaffenhofen ist ein Thema für sich. Ein Hartz IV-Empfänger kann hier wohl kaum existieren“, sagt er. „Wir nutzen persönliche Kontakte, gehen von Haus zu Haus“, beschreibt er seinen Wahlkampf. Das Direktmandat werde er gegen die starke Konkurrenz wohl kaum gewinnen können. Aber das stört Thomas Schwarz nicht. Er nutzt die Kandidatur, um selbst etwas bekannter zu werden. „Das wird nicht meine letzte Wahl sein. Ich will ein politisches Mandat – und ich kann mir viel vorstellen“, nennt er sein größtes Ziel.

Sein Listenplatz zwölf gibt wenig Anlass zur Hoffnung. „Obwohl, der ist super. Wenn wir über 35 Prozent bekommen, bin ich in Berlin“, sagt er im Scherz, wohl wissend, dass da kein Weg hinführt. Tanja hört interessiert zu. Aber dann kehrt plötzlich leichte Hektik ein. Die ersten Würste platzen mit einem leisen Ploppen. Zu viel geratscht, zu wenig gegessen. Geschmeckt haben sie trotzdem. Vor allem die Brezen dazu. Und das Bier. Wenn Politik im Spiel ist, rückt das Essen eben in den Hintergrund. „Hättest du mal eher was gesagt“, ruft der Kandidat seiner Lebensgefährtin scherzhaft zu. Die Atmosphäre bleibt locker und gelöst. So eine geplatzte Weißwurst ist schließlich kein Drama.

Über das Essen kommt die Sprache auf Schwarz’ größtes Hobby: der Modell-Segelflug. 23 Modelle nennt er sein Eigen, das größte hat eine Spannweite von drei Metern, das kleinste findet auf einem Handrücken Platz. „Ich bin sogar Oberpfalz-Meister im F3B“, sagt der 43-Jährige. Dabei handelt es sich um spezielles Segelfliegen, das in einer punktgenauen Landung endet. Allerdings ist dieser größte „sportliche“ Erfolg des ehemaligen Fußballtrainers der Rohrbacher Damenmannschaft schon einige Zeit her. 20 Jahre, um genau zu sein. Die Leidenschaft ist trotzdem geblieben. Stundenlang bastelt er im Hobbykeller an den Modellen herum, baut Motoren ein und verbringt seine Freizeit auch gerne beim MSC Geisenfeld.

Mit Enttäuschungen hat der 43-Jährige dabei über die Jahre umzugehen gelernt. „Wenn du 300 Stunden herumbastelst und das Modell dann beim ersten Flug abstürzt und in hundert Teile zerbricht, kann das schon ein wenig frustrierend sein. In der Politik könnte das ähnlich sein, vor allem als Linker in Pfaffenhofen. „Aber dann bastelst du noch einmal 100 Stunden weiter, und das Ding fliegt perfekt“, sagt er. Gut Ding will Weile haben. Und vielleicht klappt es auf dem Weg ja auch mal mit seinem großen Traum von einem politischen Mandat.