Berlin
"Ihre Stimme hat Gewicht"

Bundespräsident Gauck betont Bedeutung der Freiheit zu wählen

19.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:39 Uhr

Berlin (DK) Es treibt ihn um, es bewegt ihn. Das hört man aus jedem Satz heraus. Drei Tage vor der Bundestagswahl meldet sich Joachim Gauck zu Wort. Der Bundespräsident wirbt um jede Stimme, ruft zur Stimmabgabe auf und warnt davor, darauf zu verzichten. Ein eindringlicher Appell und eine Mahnung zugleich. „Wir haben eine Wahl. Wir haben etwas, wovon Millionen Menschen in der Welt noch träumen“, sagt Gauck in seiner kurzen Ansprache, die gestern vom Bundespräsidialamt in Wort und Bild verbreitet wurde und auf der Internetseite des Staatsoberhauptes zu sehen ist.

Es ist sein Thema: Die Freiheit und die Freiheit zu wählen, auf die er als früherer DDR-Bürger 50 Jahre hatte warten müssen. Es gehöre zur Freiheit hierzulande, auf dieses Recht zu verzichten. Aber es gehöre auch zur Freiheit, daran zu erinnern, dass Demokratie nicht einfach passiere. „Sie wird gemacht: von uns“, warnt Gauck davor, nicht wählen zu gehen. „Wir alle haben die Wahl. Wollen wir abwarten, zuschauen oder mitwirken? Indem wir wählen, entscheiden wir uns für eine lebendige Demokratie.“

Im Interview mit unserer Berliner Redaktion hatte Gauck kürzlich noch einmal die Gefühle bei seiner ersten freien Wahl beschrieben: „Als ich am 18. März 1990 im Alter von 50 Jahren das erste Mal frei gewählt habe, war das Freude und pures Glück“, sagte er und versicherte, er persönlich werde keine Wahl mehr versäumen. Allerdings sehe er mit Sorge, dass die Wahlbeteiligung sinke.

Sorge vor einer niedrigen Wahlbeteiligung, Kritik an einem Wahlkampf ohne klare Auseinandersetzung und eindeutige Festlegungen und die Warnung davor, auf das Wahlrecht zu verzichten, nicht an die Urnen zu gehen. Bereits in der Sommerpause hatte sich der Bundespräsident in die Debatte eingeschaltet und Alarm geschlagen. „Wer freiwillig darauf verzichtet, entmächtigt sich politisch“, warnte Gauck damals eindringlich, beklagte aber auch mangelnde Klarheit und zu wenig inhaltliche Auseinandersetzung im Wahlkampf. Ein echter, lebhafter Themenwahlkampf berge die große Chance, dass ganz viele Bürger sich mit der einen oder anderen Seite identifizieren, „dass sie im wahrsten Sinne des Wortes Partei ergreifen und dann auch eine Partei wählen“, sagte Gauck und wünschte sich „einen ebenso fairen wie klaren Wahlkampf“. Wer heute auf Klarheit verzichte, schaffe Nichtwähler von morgen, erklärte er. Mahnungen, die als kaum verhohlene Kritik am Wahlkampf der Bundeskanzlerin verstanden worden waren, der Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“, die darauf abzielt, alles zu vermeiden, was die Anhängerschaft des politischen Gegners mobilisieren könnte. Die Kanzlerin und Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatten Gaucks Zwischenruf damals zurückgewiesen. Beifall erhielt er dagegen aus den Reihen der Opposition.

Der präsidiale Wahlaufruf, der eindringliche Appell vor der Kamera, neben dem Bundesadler im Schloss Bellevue, soll jetzt noch einmal mobilisieren, mit dazu beitragen, dass die Wahlbeteiligung nicht, wie es Experten befürchten, deutlich zurückgeht. Auch Gaucks Vorvorgänger im Amt, Horst Köhler, hatte dies bereits gemacht.

Eigentlich sei uns das Wählen doch vertraut, sagt Gauck heute. Jeden Tag träfen die Menschen ihre Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten in allen möglichen Lebensbereichen, so das Staatsoberhaupt und fragt: „Warum soll das für die Politik nicht gelten“ Gaucks Botschaft vor dem Wahlsonntag: „Überlassen Sie unsere parlamentarische Demokratie nicht der Beliebigkeit oder gar dem Verdruss.“ Schließlich lebe die Demokratie davon, dass man eine Stimme habe und nutzen könne. Und die habe am Sonntag Gewicht, sagt Gauck, „und zwar genauso viel wie die Stimme Ihres Nachbarn, Ihres Vorgesetzten oder die des Bundespräsidenten“.