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"Die politische Kultur verwildert"

Unions-Fraktionschef Volker Kauder über die US-Wahl und Populismus

11.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:04 Uhr


Herr Kauder, ist der kommende US-Präsident Donald Trump ein wahr gewordener amerikanischer Albtraum?

Volker Kauder: Donald Trump ist der gewählte Präsident der USA. Viele seiner politischen Äußerungen im Wahlkampf waren natürlich verstörend. Jetzt gilt es aber, seine konkreten Pläne für seine Amtszeit abzuwarten und vor allem mit ihm zu sprechen. Kein deutscher Politiker scheint ihn persönlich zu kennen. Diese vielen Spekulationen, was Trump im Amt machen könnte, bringen nicht viel. Es muss mit ihm geredet werden, damit wir ihm unsere Sichtweise nahebringen können. Wir wollen und müssen mit Amerika weiter eng zusammenarbeiten.

 

Frank-Walter Steinmeier hat Trump einen Hassprediger genannt. Sigmar Gabriel sieht in ihm den Vorreiter einer autoritären Internationalen. Geht man so mit dem künftigen Präsidenten eines Verbündeten um?

Kauder: Das halte ich nicht für den richtigen Ton. Mitglieder der Bundesregierung sollten sich klüger gegenüber Politikern des wichtigsten Bündnispartners außerhalb Europas äußern, zumal gegenüber dem gewählten Präsidenten. Man kann sicher kritisieren. Man muss aber immer wissen, dass man mit dem, den man angreift, eines Tages zusammenarbeiten könnte - oder nun sogar muss. Die Kanzlerin hat andere Worte gefunden und trotzdem unsere Haltung deutlich gemacht. Deswegen wird es auch eine Gesprächsbasis zwischen ihr und Trump geben.

 

Wie konnte es zu Donald Trumps Wahlsieg kommen? Wo liegen die Ursachen für den Erfolg?

Kauder: Große Teile der Bevölkerung in den USA fühlen sich offenbar abgehängt. Sie sehen keine Perspektive. Die wirtschaftliche Situation dort ist für viele Menschen in der Tat gar nicht gut. Das gilt vor allem für die ländlichen Räume und Teile der alten Industrieregionen. Bei uns in Deutschland ist die Lage anders. Zwei Drittel der Menschen sind mit ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation zufrieden. Anders als in den USA droht in Deutschland keine Spaltung der Gesellschaft. Aber natürlich gibt es auch bei uns Zukunftssorgen.

 

Wolfgang Schäuble warnt aber dennoch vor zunehmendem demagogischen Populismus - auch hier in Deutschland . . .

Kauder: Wenn über Politik geredet wird, geht es immer häufiger nicht um die harten Fakten und die tatsächliche Lage. Die gefühlte Wirklichkeit ist wichtiger. Das wird dann von Populisten verstärkt, die auch bei uns unterwegs sind. Wir müssen uns bemühen, dass die reale Lage des Landes wieder mehr wahrgenommen wird, und diejenigen entlarven, die die Wahrheit verdrehen und mit Lügen arbeiten. Die politische Kultur verwildert.

 

Was kann man Ihrer Meinung nach dagegen tun?

Kauder: Hier sind viele gefordert: Parteien, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, die Medien, die Schulen. Wir müssen alle Kanäle nutzen, um aufzuklären. Politik muss besser erklärt werden und zwar in verständlicher Sprache. Kritik an Politik und Politikern hat es immer gegeben. Das ist überhaupt nichts Neues. Doch der Hass einiger Gruppen nimmt zu. In einer Welt voller Veränderungen wachsen Sorgen und Ängste. Manche Menschen erwarten, dass die Politik dafür sorgt, dass alles bleibt wie bisher. Das wird aber in einer sich rasant wandelnden Welt nicht möglich sein. Das muss man den Menschen ehrlich sagen. Wir können uns der Wirklichkeit nicht verweigern. Wir bemühen uns aber, diese Welt so zu gestalten, dass möglichst alle Bevölkerungsgruppen davon profitieren und möglichst wenige zurückbleiben. Das ist gerade in Deutschland in den vergangenen Jahren auch gelungen.

 

Auch in Deutschland wird bekanntlich ein Staatsoberhaupt gesucht. Union und SPD ringen um einen gemeinsamen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl. Was spricht eigentlich gegen mehrere Bewerber?

Kauder: Es wäre gut, wenn sich die Koalition auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten verständigen könnte. Dies wird jetzt geklärt. Es wäre ein Signal der Konsensbereitschaft der großen Parteien. Dass dazu Gespräche laufen, ist ein normaler Prozess in einer Demokratie. Wenn kein Kandidat gefunden würde, wäre dies kein politischer Beinbruch. Mehrere Bewerber waren in der Bundesversammlung eher die Regel als die Ausnahme.

 

Angela Merkel hat noch nicht erklärt, ob sie 2017 noch einmal antritt. Führt an ihr überhaupt ein Weg vorbei?

Kauder: Die Kanzlerin wird sich rechtzeitig und zu gegebener Zeit erklären. Ich wünsche mir, dass sie im kommenden Jahr noch einmal antritt. ‹ŒDK

 

Das Gespräch führte

Andreas Herholz.