Hamburg
Gas für 80 Tage

Sollte Russland die Zufuhr stoppen, sichern Vorräte in Deutschland die Versorgung

28.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:53 Uhr

Hamburg (AFP) Die Krim-Krise befeuert die Sorgen um Deutschlands Erdgasversorgung. Die Bundesrepublik deckte 2013 mehr als ein Fünftel ihres Gesamtenergiebedarfs mit Erdgas, von dem der weit überwiegende Teil importiert werden muss. Russland ist dabei ein Hauptherkunftsland.

Sollte es zu einer großen Versorgungskrise kommen, könnten die Gas-Unternehmen in Deutschland zunächst auf 50 Speicher zurückgreifen, die nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums bis zu 22,7 Milliarden Kubikmeter Gas fassen können. Bei maximalem Füllstand würden die unterirdischen Anlagen den deutschen Durchschnittsverbrauch noch 80 Tage decken können.

Seit 2010 gilt EU-weit eine Richtlinie zur Sicherung der Gas-Versorgung. Der deutsche „Notfallplan Gas“ kennt drei Stufen: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Für jede Stufe ist festgelegt, wie ein beim Bundeswirtschaftsministerium gebildeter Krisenstab aus Behörden und Versorgern handeln darf.

In den ersten beiden Stufen würden sich Energiefirmen noch in Eigenregie um eine Entspannung der Lage kümmern, etwa durch den Rückgriff auf ihre Speicher, den Kauf von Erdgas von alternativen Lieferquellen oder die Verschiebung von Erdgas innerhalb des Pipelinenetzes.

Sollte das nicht ausreichen, könnte die Regierung die sogenannte Notfallstufe ausrufen und sich damit auch Kompetenzen aneignen, die in einer Marktwirtschaft sonst nicht üblich sind. Die Bundesnetzagentur in Bonn würde dann das Kommando über die deutsche Gasversorgung übernehmen und könnte einschneidende Zwangsmaßnahmen anordnen.

So könnte die Behörde Großverbraucher in der Industrie abklemmen oder die Beheizung öffentlicher Gebäude einschränken, um die Erdgasversorgung in wichtigeren Bereichen wie dem Wohnungsbestand aufrechtzuerhalten. Selbst Rationierungen für Bürger wären zulässig. Bis dahin aber genießen Haushaltskunden nach deutschem Recht einen bevorzugten Schutz, so dass die Versorger deren Belieferung nicht einschränken dürften.

Als wichtige Vorsorge gegen eine Versorgungskrise gilt grundsätzlich die Verteilung der Gaseinfuhr auf möglichst viele Lieferländer und Lieferwege.

Der niedersächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Werner Kammer appellierte vor wenigen Tagen an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sich persönlich für den Bau eines Terminals für Flüssiggas bei Wilhelmshaven einzusetzen. Planungen dafür liegen schon in der Schublade: Die Deutsche Flüssigerdgas Terminal Gesellschaft, eine 90-prozentige Eon-Tochter, besitzt alle notwendigen Genehmigungen und verfolgte jahrelang das Ziel, die nötige Infrastruktur zu errichten. Auch RWE plante in Wilhelmshaven einst ein LNG-Projekt. In beiden Fällen schliefen die Planungen aber vor wenigen Jahren letztlich ein. Eon entschied sich 2008 endgültig gegen den Bau eines deutschen Flüssiggas-Terminals.