Jerusalem
Furcht vor einem blutigen Freitag

Radikal-islamische Hamas ruft nach Donald Trumps Jerusalem-Beschluss zu neuer Intifada auf

07.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:06 Uhr

Jerusalem (AFP) In den Palästinensergebieten brodelt es. "Amerika war ein großartiges Land für uns und jeden", sagt Salah Suhikeh in der Altstadt Jerusalems. "Aber durch diese Entscheidung ist Amerika ein sehr kleines Land geworden - so wie jedes kleine Land in der Welt." Aus Sicht des 55-jährigen Palästinensers hat US-Präsident Donald Trump sein eigenes Versprechen "Make America great again" zunichtegemacht. Mit der Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen, seien die USA als Vermittler auf das Maß Mikronesiens geschrumpft.

In Gaza und anderen Teilen der arabischen Welt - darunter auch Tunesien und Jordanien - marschieren gestern Tausende erbost durch die Straßen. Sie verbrennen Flaggen der USA und Israels und rufen Parolen wie "Tod für Amerika" oder "Tod für Israel". In Bethlehem schaltet die Stadtverwaltung die Beleuchtung an einem Weihnachtsbaum vor der Geburtskirche Jesu aus Protest gegen die Entscheidung Trumps ab. Die israelischen Sicherheitskräfte setzen Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition ein, um die Proteste im Westjordanland aufzulösen. Laut Zeugen und Rettungskräften werden Demonstranten verletzt. Im Westjordanland und in Ost-Jerusalem bleiben gestern die allermeisten Geschäfte und Schulen nach einem Aufruf zum großen Generalstreik geschlossen. Es herrscht Wut und Ohnmacht, aber der befürchtete Flächenbrand ist es nicht.

Auch der Aufruf von Palästinenserpolitikern zu drei "Tagen des Zorns" hat bislang nicht gezündet - von Kälte und Regen eingehüllt, bleibt es in Jerusalem gestern mehr oder weniger ruhig. Doch das Wort von der nächsten Intifada macht bereits die Runde. Aufgerufen zu einem neuerlichen Palästinenseraufstand hat die radikal-islamische Hamas-Bewegung. Auf die von den USA unterstützte "zionistische Strategie" gebe es als alleinige Antwort nur eine neue Intifada, sagte Hamas-Führer Ismail Hanija gestern während einer Rede in Gaza.

Und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte bereits unmittelbar nach der Ankündigung Trumps im palästinensischen Fernsehen von "beklagenswerten und unannehmbaren Maßnahmen" gesprochen, die "bewusst alle Friedensbemühungen" untergrüben. Damit gebe Washington seine "Rolle als Förderer des Friedensprozesses" auf, den es im vergangenen Jahrzehnt innegehabt habe. Auch die moderate Palästinenserführung will die USA also nicht mehr als Schirmherrin des Friedensprozesses akzeptieren. "Ihre Hilfe ist nicht erwünscht", so der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah gestern bei einem Besuch im Gazastreifen.

Möglicherweise ist es eine Art Lähmung, aus purer Fassungslosigkeit über den beispiellosen Tabubruch Trumps, die vorerst die Palästinenser erfasst hat. Doch die Freitagsgebete stehen bevor - gewissermaßen traditionell ein Ausgangspunkt für heftige Proteste. In den Moscheen in den Palästinensergebieten dürfte es kaum ein anderes Thema geben.

Denn der endgültige Status von Jerusalem ist einer der größten Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Die Palästinenser beanspruchen den 1967 von Israel besetzten und dann 1980 annektieren Ostteil Jerusalems als künftige Hauptstadt ihres angestrebten eigenen Staates. In der internationalen Gemeinschaft herrschte bislang Konsens darüber, dass der Status der Stadt in Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern zu klären ist. Entsprechend scharf war die Kritik an Trumps Vorgehen.

In Israel war der Jubel groß. Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach von einer "mutigen und gerechten Entscheidung" und einem "historischen Tag". Für mögliche Proteste fühle sich die Regierung bestens gerüstet. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman versicherte: "Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet."