Dubai
Von Afghanistan lernen

Die deutsch-iranische Schriftstellerin Siba Shakib über den Iran und Saudi-Arabien

05.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:21 Uhr

Die deutsch-iranische Schriftstellerin Siba Shakib hält wenig von der deutschen Beteiligung am Militäreinsatz in Syrien. - Foto: Klebe

Dubai (DK) Die deutsch-iranische Schriftstellerin Siba Shakib hat in Afghanistan lange Isaf und die Bundeswehr beraten. In dem aktuellen Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran wie auch in Syrien setzt sie auf Diplomatie.

 

Frau Shakib, kann es sein, dass Sie wie bei Ihrem Bestseller für Ihren neuen Roman wieder das richtige Näschen hatten, die Geschichte also zur richtigen Zeit am richtigen Ort spielt? Schreiben Sie gerade ein Buch über den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran?

Siba Shakib: In meinem neuen Buch wird es um das Thema Identität gehen. Wie werden wir zu den Menschen, die wir sind? Können wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und uns und unser Leben neu erfinden?

 

Wird das ein Roman mit autobiografischen Elementen?

Shakib: Ja, denn es ist die Geschichte einer Frau, die Schriftstellerin ist und ihre kreative Kraft verloren hat, und einer zweiten Frau, die im höchsten Turm in Dubai aufwacht und sich an nichts erinnern kann. Beide Frauen sind Iranerinnen, haben ähnliche Namen, lernen sich kennen und finden jeweils die Situation der anderen besser. Am Ende tauschen sie Ihre Identitäten und leben das Leben der anderen weiter.

 

Der Iran ist also die Klammer. Wie bewerten Sie dort die aktuelle Lage?

Shakib: Im Iran sitzt die religiöse Regierung fest im Sattel, auch wenn es in begrenztem Rahmen eine gemäßigte Bewegung gibt, die zuletzt bei den Atomverhandlungen hervortrat. Vor allem die jungen Menschen wollen eine Öffnung des Iran und vor allem Demokratie. Aber die Bewegung wird begrenzt bleiben. Das sieht man daran, dass dort 2015 alleine in der ersten Jahreshälfte fast 700 Menschen exekutiert wurden. Und es scheint beinah so, als hätten sich alle daran gewöhnt.

 

Können Sie angesichts dieser Zahl erklären, warum Iraner sich dann über die Hinrichtung von Scheich Nimr Baker al-Nimr empören und die Botschaft Saudi-Arabiens anzünden?

Shakib: Die Reaktionen der letzten Tage richten sich nicht grundsätzlich gegen Hinrichtungen. Das muss anders bewertet werden. Hier geht es um eine politisch motivierte Hinrichtung. Zusammen mit Nimm al-Nimr sind 46 Menschen hingerichtet worden. Deren Tod scheint niemanden aufzuregen.

 

Geht es bei dem Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien, zwischen Schiiten und Sunniten tatsächlich um den Disput zweier Konfessionen des Islams, oder ist es nicht viel mehr ein politischer Konflikt?

Shakib: Der religiöse Konflikt spielt immer mit eine unterschwellige Rolle. Aber das Machtinteresse steht schon alleine aus geopolitischen Gründen immer an oberster Stelle. Das war bei älteren Konflikten schon so, zum Beispiel im Krieg zwischen dem Irak und dem Iran, und es ist heute bei den Konflikten im Jemen und in Syrien ebenfalls so. Aktuell will Saudi-Arabien verhindern, dass der Iran wieder auf die Beine kommt, wonach es nach der Annäherung im Atomstreit aussieht.

 

Also ein Uraltkonflikt ohne Aussicht auf eine Lösung?

Shakib: Problematisch dabei ist, dass in der saudischen Führungsriege keine Einigkeit herrscht. Es ist zum Beispiel kein Geheimnis, dass Saudis den IS finanziell unterstützen, gleichzeitig sind sie aber ein einigendes Momentum der syrischen Opposition im Kampf gegen Assad. Eine ähnliche Situation haben wir auch in der Türkei. Teile des Machtapparates unterstützen den IS, andere verstehen, dass der „Islamische Staat“ eine Riesengefahr für die Region und die Welt ist, und wollen sie bekämpfen. Das ist die eigentliche Tragik der aktuellen Krisensituation: Man kann nicht sagen, dieses Land steht geschlossen auf dieser Seite und ein anderes auf jener. Wer hätte gedacht, dass Saudi-Arabien und Israel eines Tages auf der gleichen Seite stehen, weil sie einen gemeinsamen Feind haben?

 

Wie gehen wir Deutsche nun mit Saudi-Arabien um, einem Land, das man als Öllieferanten und Partner im Kampf gegen den IS braucht, dessen Menschenrechtsverletzungen wir aber nicht tolerieren wollen?

Shakib: Was Deutschland, Europa und die USA derzeit tun können, ist, besonnen absolute Entschlossenheit zu zeigen und bloß kein Öl ins Feuer zu gießen.

 

Was heißt besonnene Entschlossenheit? Sollen wir die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien stoppen oder die Menschenrechtsverletzungen bei einem wichtigen Verbündeten ignorieren, um das langfristige Ziel – Frieden in Syrien – nicht aus den Augen zu verlieren?

Shakib: Nein, gerade wenn die Waffenlieferungen eingestellt werden, denken wir langfristig. Ich glaube nicht daran, dass man mit Waffen Frieden bringen kann. Aber es muss sofort diplomatische Besuche geben. Deutschland kann hier wegen seiner guten Kontakte in beide Länder eine wichtige Rolle spielen.

 

Widersprechen Sie sich nicht gerade? Sie selbst haben doch als Beraterin von Isaf und der Bundeswehr in Afghanistan an einem militärischen Einsatz mitgewirkt. War das damals ein Fehler?

Shakib: Afghanistan ist ein ideales Beispiel, um daraus zu lernen. Hätten wir dort so weitergemacht, wie wir in den ersten fünf Jahren begonnen hatten, dann hätten wir dort heute ein friedlicheres und demokratischeres Afghanistan. Leider haben wir aber viele Fehler gemacht, einer davon war, dass wir Tornados geschickt haben, nicht zum Kämpfen, nur um Luftaufnahmen zu machen. Aber wofür? Um Bomben abzuwerfen, die wiederum viele Kollateralschäden verursachten, die letztlich die Ursache waren, dass die Mission gescheitert ist. Genauso wird das auch in Syrien nicht funktionieren.

 

Was ist dann die Lösung?

Shakib: Diplomatie und das Austrocknen des IS. Täglich fahren 600 Lkw aus der Türkei nach Syrien mit Nachschub für den IS. Das müssen wir unterbinden. Das dauert alles länger, als Bomben abzuwerfen, aber Afghanistan sollte uns diese Lektion gelehrt haben.

 

Sehen Sie die Gefahr eines Krieges Iran gegen Saudi-Arabien?

Shakib: Nein, die sehe ich nicht. Saudi-Arabien alleine hat dazu die militärischen Mittel nicht. Es könnte einen Krieg nur in einer großen Koalition führen, aber das sehe ich auch nach den Solidaritätsbekundungen aus Bahrain und Kuwait nicht.

 

Welche Auswirkungen haben die aktuellen Ereignisse auf die Syrien-Gespräche? Ist es realistisch, dass beide Staaten an den Gesprächen in Genf teilnehmen?

Shakib: Es darf dazu gar keine andere Option geben. So wichtig ist das. Sie müssen mit an den Tisch. Basta!

 

Und was, wenn nicht?

Shakib: Diese Frage behandeln wir erst, wenn es so weit käme. Beide Länder brauchen den Frieden in Syrien, deshalb werden beide am Verhandlungstisch erscheinen.