Berlin
"War schon mal besser"

Der CDU-Politiker Jens Spahn zur Lage der Union nach dem CSU-Parteitag

22.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Auf offener Bühne: CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte auf dem CSU-Parteitag Angela Merkels Flüchtlingspolitik – während die sichtlich wenig erfreute Kanzlerin neben ihm stehen musste - Foto: Stache/AFP

Berlin (DK) Jens Spahn (Foto) ist CDU-Präsidiumsmitglied und Staatssekretär beim Bundesfinanzminister. Wir fragten den CDU-Politiker nach dem Streit um die Flüchtlingspolitik und den Zustand der Union nach dem CSU-Parteitag.

Herr Spahn, die Union streitet über Obergrenzen für die Flüchtlingszuwanderung: CSU-Chef Horst Seehofer hat Angela Merkel in München auf offener Parteitagsbühne abgekanzelt. Herrscht jetzt Eiszeit in der Union?

Jens Spahn: Die Stimmung war sicher schon mal besser, das Verhältnis zwischen CDU und CSU ist nicht auf einem Höhepunkt. Und der Umgang mit der Bundeskanzlerin auf dem Parteitag war auch kein Glanzlicht bayerischer Gastfreundschaft. Wir sollten deutlich stärker unsere Gemeinsamkeiten in der Flüchtlingspolitik herausarbeiten. Da gibt es mehr, als es scheint . . .

Gemeinsamkeiten? Wo sehen Sie die?

Spahn: Wir sind uns einig darin, dass wir Fluchtursachen bekämpfen und die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, verringern wollen. Es besteht Einigkeit, dass wir mit der Türkei verhandeln müssen, um die EU-Außengrenze besser sichern zu können. CDU und CSU wollen Ausreisepflichtige konsequent abschieben. Mit dem jahrelangen Luxus, Recht nicht durchzusetzen und nicht abzuschieben, muss endlich Schluss sein. Und jeder in der Union weiß, dass wir es nicht mehr viele Wochen aushalten, wenn jeden Tag bis zu 10 000 Flüchtlinge und Einwanderer ins Land kommen. All diese Gemeinsamkeiten sollten wir stärker herausstellen.

Ist Merkel gut beraten, Obergrenzen kategorisch abzulehnen?

Spahn: Das Thema wird überbewertet. Die Fokussierung auf Obergrenzen ist müßig. Viel wichtiger wäre darüber zu reden, wie wir zu Begrenzungen kommen. Wir müssen die Botschaft in die Welt senden, dass nicht jeder nach Deutschland kommen und hier bleiben kann. Und für diejenigen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen, müssen wir vor Ort in der Türkei, in Jordanien und im Libanon bessere Bedingungen schaffen. Wenn es gelingt, die EU-Außengrenze zu sichern, sollten wir Kontingente für Flüchtlinge festlegen. Dann könnten wir die Zahl besser steuern und die Schutzbedürftigen besser auswählen: Frauen und Kinder zuerst, nicht junge Männer.

In Teilen der Union brodelt es. Welche Fehler hat Merkel in der Flüchtlingskrise gemacht?

Spahn: Es waren jedenfalls sicher nicht einzelne Selfies mit der Bundeskanzlerin, die uns in die jetzige Lage gebracht haben. Und die freundliche Offenheit, die Bilder vom Münchener Hauptbahnhof – diese positive Botschaft kam ja aus der Mitte der Gesellschaft. Aber es hat den Zustrom noch verstärkt, weil die Bilder natürlich blitzschnell um die Welt gegangen sind. Dadurch ist der falsche Eindruck entstanden: „Deutschland nimmt jetzt alle auf. Deutschland hat uns gerufen.“

Wie groß ist der Schaden für CDU und CSU nach dem Eklat beim Parteitag?

Spahn: CDU und CSU sind gut beraten, zusammenzubleiben und diese schwierige Situation zusammen zu meistern. Wir müssen berechtigte Sorgen und Fragen der Menschen ernst nehmen und die Anstrengungen auch ehrlich beschreiben, sonst haben Populisten leichtes Spiel. Rechts von uns darf es keine demokratisch legitimierte Kraft geben.

Sie haben gerade ein Buch präsentiert, auch mit vielen kritischen Stimmen zur Flüchtlingszuwanderung. Werden die Chancen überschätzt und die Risiken unterschätzt?

Spahn: Nein. Es gibt sehr unterschiedliche Blickwinkel in dem Buch, das nicht umsonst „Ins Offene“ heißt. Allen gemeinsam ist, dass wir einen Schritt zurücktreten und uns jenseits der Alltagsfragen mit der Flüchtlingskrise beschäftigen. Es geht nicht um die Beschaffung von Feldbetten und Dixi-Klos. Wir müssen uns fragen, was die große Zahl an Zuwanderern mit unserem Land macht und wo wir ganz neu denken müssen. Wenn wir integrieren wollen, brauchen wir wieder einen stärkeren Fokus auf Wachstum und Beschäftigung.

Die Fragen stellte

Rasmus Buchsteiner.

Foto: Berg/dpa