Berlin
Ruf nach Kontingenten wird lauter

Koalition debattiert über den richtigen Weg zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen

23.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Berlin (DK) Obergrenzen für Flüchtlinge – ja oder nein? Beim CSU-Parteitag hatte der Streit zum großen Zerwürfnis zwischen Parteichef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geführt. Inzwischen wird der Ruf nach Kontingenten für Flüchtlinge immer lauter.

Die Forderung wird von führenden CDU-Politikern, aber auch von Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) geteilt.

„Wir möchten gerne die Zuwanderung europäisch regeln und nicht deutsch“, erklärte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Ein Element davon sei die geplante EU-Vereinbarung mit der Türkei. Es gebe nicht die Absicht, das Grundrecht auf Asyl in Deutschland einzuschränken. Damit geht der Konflikt zwischen den Unionsschwestern in die nächste Runde: Die Delegierten des CSU-Parteitags hatten am Freitag in einem nahezu einstimmigen Beschluss verlangt, schon für 2016 eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen festzulegen.

In der CDU-Spitze stößt diese Position auf Widerstand. „Einseitig eine Obergrenze auszurufen, bringt nichts – darüber lohnt im Grunde nicht einmal ein Streit“, erklärte CDU-Vize Thomas Strobl gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. „Wir müssen zusammen mit unseren europäischen Freunden und zusammen mit Ländern wie der Türkei zu einer Kontingentlösung kommen.“ Das werde ein entscheidender Baustein, um den Flüchtlingsstrom nach Deutschland zu steuern und zu begrenzen: „Wir müssen schnell den Kontrollverlust an den EU-Außengrenzen beseitigen. Deshalb ist es richtig, den Migrationsdruck schon vor der Außengrenze zu verkleinern“, sagte Strobl. „Die Kanzlerin arbeitet daran intensiv und hart. Sie hat dabei unsere volle Unterstützung.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) war am Wochenende noch einmal vorgeprescht und hatte an seinen Vorschlag erinnert, dass Europa „ein großzügiges Kontingent von Flüchtlingen“ aufnimmt, die gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR ausgewählt werden könnten. Zu einer spürbaren Reduzierung des Flüchtlingsstroms nach Deutschland dürfte es allerdings nur dann kommen, wenn die EU-Außengrenzen verlässlich geschützt würden.

Aus der CSU war gestern wieder der Ruf nach einer nationalen Obergrenze als Alternative zu europäisch vereinbarten Kontingenten zu hören. Innenexperte Stephan Mayer brachte eine Zahl „von deutlich unter 500 000 Personen pro Jahr“ ins Gespräch, die im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention aufgenommen werden könnten. Zuvor war der Zentralrat der Juden in die Offensive gegangen und hatte die Forderungen der CSU unterstützt. „Über kurz oder lang werden wir um Obergrenzen nicht herumkommen“, so Zentralratspräsident Josef Schuster. Viele Flüchtlinge kämen aus „Kulturen, in denen der Hass auf Juden ein fester Bestandteil ist“.

Der Streit dürfte vor allem in der Union weitergehen. Für Donnerstag sind die Spitzen von CDU und CSU sowie der Bundestagsfraktion erneut verabredet und wollen in Berlin über die Zukunft der Flüchtlingspolitik beraten.