Berlin
Maut - Berliner

20.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:26 Uhr

Berlin/St. Quirin (DK) Horst Seehofer hatte es eilig, sprach ein Machtwort, um die Debatte gleich wieder zu beenden. Änderungen der Pläne für eine Pkw-Maut? Ausnahmen für den kleinen Grenzverkehr? Nicht mit dem CSU-Chef. Basta! Dabei kam die Forderung nach Korrekturen am Konzept von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aus den eigenen Reihen.

„Alle Landkreise entlang der Grenzen, in Bayern also nach Österreich, Tschechien und der Schweiz, könnten von der Mautregelung ausgenommen werden“, stellte ausgerechnet Dobrindts Parteifreund und Kollege, der bayerische Verkehrsminister Joachim Herrmann, in Aussicht und die flächendeckende Pkw-Maut infrage. Es sei nicht notwendig, dass jemand „seinen Senf dazugibt“, kanzelte Parteichef Seehofer den Störenfried ab. „Die Linie der CSU und ihres Vorsitzenden ist ebenso klar wie die Linie der Kanzlerin – und ich könnte mir vorstellen, dass das maßgeblich ist“, erklärte der bayerische Ministerpräsident am Wochenende und verteidigte die Pläne von Bundesverkehrsminister Dobrindt. Auch Dobrindt selbst bekräftigte, dass es keine Ausnahmen geben werde.

Die Pkw-Maut als Thema für das politische Sommertheater, ein womöglich wochenlanger Streit über die geplante Abgabe, die nur ausländische Fahrer belasten soll – in der Union wächst die Sorge, dass sich die Maut zum politischen Rohrkrepierer entwickelt. Joachim Herrmanns Forderung nach Ausnahmen in den Grenzregionen findet jenseits der Münchener Parteizentrale durchaus Zuspruch. In vielen Grenzregionen wächst die Sorge, dass die Pläne einer Pkw-Maut für Ausländer dort deutliche Einbußen mit sich bringen würden. Die zusätzlichen Einnahmen für Bund, Länder und Gemeinden von rund 600 Millionen Euro pro Jahr kämen vor allem den Kommunen nahe der Grenzen zu den europäischen Nachbarn teuer zu stehen. Zwar hatte sich Kanzlerin Angela Merkel gerade (CDU) erst bei ihrem Auftritt vor der Bundespressekonferenz am Freitag noch einmal zur Pkw-Maut bekannt. Doch die Begeisterung für das Lieblingsprojekt der CSU hält sich im Kanzleramt und in der CDU-Zentrale sehr in Grenzen. Geringe Einnahmen, dafür jede Menge Ärger – in der CDU-Spitze wäre man nicht unglücklich, wenn am Ende aus der Maut nichts wird.

So könnte das CSU-Wahlversprechen an EU-rechtlichen Bedenken scheitern. In Brüssel warnt man bereits vor einer Diskriminierung von Ausländern. Verkehrsminister Dobrindt will ab 2016 auf allen deutschen Straßen eine Pkw-Maut einführen, die er lieber „Infrastrukturabgabe“ nennt, in der Hoffnung, dass dies die Akzeptanz steigern möge. Die Kosten für die Vignette: Hundert Euro pro Jahr, zehn Euro für zehn Tage. Damit nur ausländische Pkw-Fahrer belastet werden, soll die Kraftfahrzeugsteuer für deutsche Fahrzeughalter gesenkt werden. Schon drohen Österreich und Belgien mit Klagen gegen das Modell beim Europäischen Gerichtshof.

Genervt vom Maut-Chaos reagiert man unterdessen beim Koalitionspartner SPD: Alle Bedenken gegen die Pkw-Maut müssten ernst genommen und sorgfältig geprüft werden, erklärte gestern der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Martin Burkert, im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. „Wir müssen mit den Nachbarländern reden“, sagte der SPD-Politiker. „Gerade beim Tourismus und beim Einkauf in den Grenzregionen drohen wirtschaftliche Einbußen“, fürchtet der Verkehrsexperte aus Bayern. Bundesverkehrsminister Dobrindt müsse den Bedenken jetzt Rechnung tragen. „Wenn er es nicht schafft, sind wir Sozialdemokraten die letzten, die sich dem Ausstieg aus den Plänen für eine Pkw-Maut verweigern“, sagte er und schließt ein vorzeitiges Ende des Vorhabens nicht mehr aus.