Berlin
Leyens Projekt in Gefahr

CSU will nichts mehr von Lebensleistungsrente wissen – trotz Koalitionsabsprache

10.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:37 Uhr

Berlin (DK) Ursula von der Leyen ist alarmiert. Ihrem Prestigeprojekt Lebensleistungsrente droht das Aus. Die CSU geht beim Kampf gegen Altersarmut einen eigenen Weg, will Geringverdiener mit langer Versicherungszeit im Alter nicht über das Rentensystem besser stellen, sondern über die Grundsicherung.

Bundessozialministerin von der Leyen versucht zwar noch abzuschwächen: „Ich gehe davon aus, dass die CSU vertragstreu zum jüngsten Beschluss des Koalitionsausschusses steht.“ Doch der Beschluss der CSU-Landesgruppe bei der Klausurtagung in Kreuth ist klar: „Wir tragen keine neue Leistung mit, die Versicherungs- und Fürsorgeleistungssysteme miteinander vermischt.“

CSU-Landesgruppenvize Max Straubinger wird noch deutlicher: „Für die Lebensleistungsrente gibt es keine Mehrheit“, erklärte er gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. „Wenn die CSU sich weigert, wird's schwierig“, sagte Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der Union. DGB-Chef Michael Sommer freut sich unterdessen, „dass jetzt dieses stümperhafte Lebensleistungsrentenmodell offensichtlich den Bach runtergeht“.

Straubinger argumentiert auch, dass eine Rentenerhöhung wenig bringe, weil von Renten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wieder abgezogen werden – anders als in der Grundsicherung. Die CSU plädiert für Zuschläge zur Grundsicherung oder Freibeträge für die private Altersvorsorge statt der Aufstockung von Minirenten im Rahmen des Rentensystems.

Die Liberalen verhalten sich im neuen Streit abwartend: „Die FDP hat dazu einen Kompromiss im Koalitionsausschuss mitgetragen. Jetzt müssen CDU und CSU erst einmal ihre Position klären“, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Heinrich Kolb, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, sagt: „Wir waren immer skeptisch gegenüber dem Modell der Lebensleistungsrente.“ Mit der CSU liege man in der Frage einer Finanzierung im Rahmen des Grundsicherungssystems „auf einer Wellenlänge“, stehe aber zum Koalitionskompromiss.

Falls CDU und CSU sich nicht einigten, müssten andere unstrittige Punkte im Kampf gegen Altersarmut umgesetzt werden: Anpassung des Reha-Budgets, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und höhere Hinzuverdienstmöglichkeiten für vorzeitig in Rente gegangene Arbeitnehmer. Von der Leyen lehnt eine solche Teillösung ab: Schließlich sei die Lebensleistungsrente das „Herzstück“ der Reform. Allerdings hatte es auch in der CDU Bedenken dagegen gegeben.

Der Kampf gegen Altersarmut ist ein Dauerstreitthema in der schwarz-gelben Koalition. Mühsam hatten sich die Koalitionsspitzen im November verständigt: 40 Jahre Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung und private Altersvorsorge sollten Bedingung für die Rentenaufstockung sein. Noch vor der Bundestagswahl sollte eine steuerfinanzierte Lebensleistungsrente geschaffen werden. Die Rentenaufstockung sollte dazu führen, dass eine Rente „knapp oberhalb der Grundsicherung“ herauskommt. Kaum war die Kompromissformel gefunden, gab es neue Auseinandersetzungen: Die FDP wollte die Höherbewertung auf zehn bis fünfzehn Euro über dem durchschnittlichen Satz der Grundsicherung – aktuell 707 Euro – festlegen. Die Ministerin pochte hingegen auf den höchsten Satz der Grundsicherung als Bezugsgröße – also eher 850 Euro. Sie argumentiert: Bei einer Orientierung am bundesweiten Durchschnittssatz würden Senioren in teureren Gegenden wie Wiesbaden oder München trotz Lebensleistungsrente immer noch weniger als den für sie gültigen regionalen Grundsicherungssatz erhalten.

Zu diesem Disput kam ein weiterer Konflikt: Die CSU drängt auf verbesserte Leistungen für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verweist auf leere Kassen. In der kommenden Woche soll eine Koalitionsarbeitsgruppe erneut eine Lösung suchen.