Berlin
Jetzt geht es um die dicken Brocken

Jamaika-Sondierung in der entscheidenden Phase Hauptstreitpunkt Flüchtlingspolitik

14.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr

Berlin (DK) "Noch zweimal schlafen, dann wissen wir Bescheid." CSU-Chef Horst Seehofer nahm gestern das Ende der zähen Sondierungen in den Blick, hoffte auf den Durchbruch und die Einigung auf ein gemeinsames Papier in der Nacht von morgen auf Freitag.

Noch zwei Tage, dann soll Gewissheit herrschen, ob es was werden könnte mit Jamaika und der ersten Regierung von Union, FDP und Grünen im Bund. "Die Chancen für Jamaika sind gestiegen", gibt sich Volker Kauder (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zuversichtlich. "Man merkt deutliche Fortschritte, es gibt Kompromissbereitschaft auf allen Seiten", frohlockt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Zweckoptimismus, der Versuch, FDP und Grünen den Schwarzen Peter zuzuschieben, sollte es am Ende doch nicht reichen?

Die Nerven sind angespannt, denn bei den Hauptstreitfragen sind bisher noch keine Lösungen in Sicht. Seit 12 Uhr ging es gestern im "Beichtstuhlverfahren" weiter, sondierten die Verhandlungsführer mit jeweils einem Fachmann über Landwirtschaft, Verkehr, Außenpolitik. In kleiner Runde ging es dann am Nachmittag wieder um die Flüchtlingsproblematik, der wohl größten Hürde auf dem Weg zu Jamaika. Bis spät in die Nacht wurde in der Parlamentarischen Gesellschaft gerungen, Ergebnisse waren dennoch nicht zu erwarten.

Kauder hatte im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion die Latte hoch gelegt: "Keinen Spielraum" sehe er in den Beratungen über die dauerhafte Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge. Die Unionsparteien beharren auf einem Zielwert von 200 000 Zuwanderern - inklusive Familienangehöriger von bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen. Die Grünen pochen darauf, den Familiennachzug für subsidiär Geschütze wieder zuzulassen, die Partei stehe hier "ganz stark in der Pflicht", stellte Chefunterhändlerin Katrin Göring-Eckardt klar. Verhärtete Fronten oder doch Trippelschritte in Richtung einer gemeinsamen Linie? Die FDP preschte mit einem Kompromissvorschlag vor: Liberalen-Unterhändler Joachim Stamp brachte einen "Zielkorridor" von 150 000 bis 250 000 humanitären Zuzügen ins Gespräch. Darunter sollen auch Kontingente von Flüchtlingen fallen, zu deren Aufnahme sich Deutschland auf EU-Ebene verpflichten könnte. Auch für den Familiennachzug schlug Stamp Kontingente vor. Eine Brücke für Grüne und Union? Erst in der Nacht zum Freitag werde sich das zeigen, hieß es aus Verhandlungskreisen. Klar scheint: Ohne Begrenzung des Zuzugs wird die Union nicht einschlagen. "Wir können nicht unbegrenzt Integration leisten", erklärte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).

Verkeilt waren die Jamaikaner gestern auch weiter bei den Themen Landwirtschaft, Klimaschutz und Verkehr. "Durchwursteln nach dem Prinzip Hoffnung geht für uns Grüne in dem Bereich nicht", markierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter einmal mehr die Schmerzgrenze der Ökopartei. Beim Thema Landwirtschaft kreisten die Jamaikaner um die Frage, wie Bauern trotz strengerer Öko-Auflagen überleben können - auch hier war keine Einigung in Sicht. Die Zugeständnisse von Union und FDP, zehn Kohlekraftwerke abzuschalten, um den CO2-Ausstoß zu senken, reicht den Grünen ebenfalls nicht aus.