Berlin
Jens Spahn kündigt Pflege-Offensive an

Gesundheitsminister soll neue Stellen schaffen und will sich für bessere Bezahlung einsetzen

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

Berlin (DK) Jens Spahn geht gleich in die Vollen. Direkt nach der Amtsübernahme steigt der neue Gesundheitsminister gestern auf zwei Bühnen, nutzt seine Auftritte auf einem Klinikkongress und dem Deutschen Pflegetag in der Hauptstadt, um seine Agenda vorzustellen und den Wirbel um seine Hartz-IV-Äußerungen vergessen zu machen. Ärmel hochkrempeln und die Großbaustelle Pflegenotstand anpacken - das ist die Botschaft des Hoffnungsträgers der CDU-Konservativen und Rivalen von Kanzlerin Angela Merkel an Spahns erstem Arbeitstag: "Ich möchte, dass wir den Pflegeberuf attraktiver machen. Ich möchte, dass wir mehr Ausbildungsplätze haben. Ich möchte, dass sich vor allem die Pflegekräfte um die Pflegebedürftigen kümmern können."

Spahn in neuer und lange angestrebter Rolle, voller Tatkraft und Ehrgeiz. Aber kann er auch liefern, oder wird er sich an seiner Mammutaufgabe überheben? "Ich bin noch gar nicht da, da bin ich schon umzingelt von der Selbstverwaltung", sagt er ironisch mit Blick auf die vielen Gremien in der Gesundheitspolitik. Immerhin holt er sich gleich einen Verbündeten: Der Vorschlag, Andreas Westerfellhaus zum neuen Pflegebevollmächtigten des Bundes zu machen, ist ein echter Coup. Der Mann stand acht Jahre lang an der Spitze des Pflegerates und genießt bei den Betroffenen allerhöchstes Ansehen.

Unterstützung wird der erst 37-jährige Gesundheitsminister auch brauchen, denn die Herausforderung ist enorm. 17 000 offene Stellen gibt es derzeit in Deutschlands Pflegeheimen, wie eine gestern veröffentlichte Studie belegt. Und der Fachkräftemangel ist dramatisch. Wie will Spahn da das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, 8000 neue Stellen zu schaffen - und auch zu besetzen? "Das ist die größte Schwierigkeit. Es wird ein Kampf werden, ausreichend Personal zu finden", sagt SPD-Gesundheitsexperte und Vizefraktionschef Karl Lauterbach gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. "Der entscheidende Hebel, um mehr Menschen für diesen wichtigen Beruf zu gewinnen, ist ein höherer Lohn."

Eine bessere Bezahlung soll laut Koalitionsvertrag durch eine bundesweite Tarifbindung erreicht werden. Doch Spahn räumt gestern ein, das werde schwierig umzusetzen sein und müsse auch refinanziert werden. Aber die Reserven der Pflegekassen schmelzen. Erstmals seit 2007 tat sich im vergangenen Jahr ein Loch auf, schlossen die Kassen mit einem Minus von 2,4 Milliarden Euro ab. Im Klartext: "Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf höhere Beiträge für die Pflegekassen einstellen", so Lauterbach gegenüber unserer Berliner Redaktion. "An einer deutlichen Erhöhung führt kein Weg vorbei." Keine Aussicht, mit der sich Spahn besonders beliebt machen dürfte. Dicke Bretter sind zu bohren, sagt er gestern. Das Problem Pflegenotstand könne "nicht mal eben so" gelöst werden, so der CDU-Mann.

Verzagtheit gehört indes nicht zu Spahns Charaktereigenschaften. Und so sieht der CDU-Politiker das Gesundheitsressort auch keinesfalls als von Merkel gestellte Falle, um den Rivalen mit unlösbaren Aufgaben zu überfordern. Es sei keinesfalls so, dass man mit Gesundheitspolitik keine Wahlen gewinnen könne, gibt Spahn den Optimisten. "Man kann in der Gesundheitspolitik viel mehr erreichen, nämlich das Leben besser machen, den Alltag vieler Menschen besser machen."

Ein paar Hinweise, wie er das System auf Vordermann bringen will, gibt Spahn gestern noch: "Schlechte Qualität muss früher oder später vom Netz, im Interesse der Patientinnen und Patienten", sagt er, und meint damit die Schließung von Kliniken, die die Standards nicht erfüllen. Und der elektronischen Gesundheitskarte, bislang ein Flopp, soll endlich zum Durchbruch verholfen werden, um den Alltag in Zigtausenden Arztpraxen zu erleichtern. Auch darum hatte sich sein Vorgänger Hermann Gröhe (CDU), den Spahn verdrängt hat, vergebens bemüht.