Berlin
Groko-Streit um Abtreibungen eskaliert

SPD-Politikerin Eva Högl nennt Unionspolitiker "widerliche Lebensschützer"

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

Berlin (DK) "Unglaubliche Entgleisung", "schlimme Denke", "nicht akzeptabel", "alle Sicherungen durchgebrannt" - viele Unionspolitiker zeigen sich gestern schockiert. Bereits an Tag zwei nach dem Start von Schwarz-Rot kracht es mächtig, helle Empörung in der Union über eine Äußerung der stellvertretenden SPD-Fraktionschefin Eva Högl.

Sie hatte per Twitter Kollegen der Union als "widerliche Lebensschützer" attackiert, löschte den Tweet später aber unter dem Eindruck der scharfen Kritik wieder.

Hintergrund ist der Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen und den Paragrafen 219 a. Der Disput schien schon beigelegt und bekommt nun neue Nahrung. Auch nach der Einigung von Union und SPD, einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu erarbeiten, sorgt das Thema also für Konfliktstoff. Högl verteidigte sich gestern. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, mit ihrem "sehr emotionalen Tweet" und "pauschalen Zuweisungen" Einzelne persönlich zu beleidigen, entschuldigte sie sich auf Twitter, nachdem sie die Nachricht gelöscht hatte.

"Gelöscht oder nicht. Lebensschützer als widerlich zu bezeichnen, lässt tief blicken", griff Unionsfraktionsvize Nadine Schön die SPD-Kollegin an. Högls Wortwahl und die dahinter stehende Haltung seien "nicht akzeptabel", kritisierte auch der rechtspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich. Die Konzeption des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes des ungeborenen Lebens fordere auch ein Werbeverbot für Abtreibungen. CDU und CSU würden dazu weiter stehen, gibt er sich gestern wenig kompromissbereit.

"Wenn Frau Högl Lebensschützer wegen ihres Einsatzes für das Leben als €šwiderlich' bezeichnet, macht sie die SPD in ethischen Fragen unglaubwürdig", so Thomas Kreuzer, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. Er hoffe, dass Interims-SPD-Chef und Vizekanzler Olaf Scholz klar machen werde, dass das nicht die Position seiner Partei sei, forderte er. "Der Tweet mag gelöscht sein, aber hat die SPD-Frau auch diese schlimme Denke gelöscht", sagte er.

Am Dienstag hatten die Chefs der Bundestagsfraktionen von SPD und Union, Andrea Nahles und Volker Kauder, angekündigt, dass die Koalition einen gemeinsamen Gesetzentwurf für eine Neuregelung des Paragrafen 219 a erarbeiten werde. Die SPD hatte Anfang des Monats einen Entwurf zur Abschaffung des Werbeverbotes für Abtreibungen in den Bundestag eingebracht, über den jetzt entschieden werden sollte, ihn jedoch nicht mehr zur Abstimmung gestellt, um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden.

Nahles wies den auch aus den eigenen Reihen erhobenen Vorwurf zurück, sie sei im Streit über das Werbeverbot für Abtreibungen eingeknickt. "Nein, wir sind nicht eingeknickt. Die Union ist in der Sache auf uns zugegangen, indem sie anders als vor zwei Wochen nun bereit ist, etwas bei dem Thema zu machen", sagte sie unserer Berliner Redaktion. ‹ŒKommentar Seite 2