Berlin
"Eine gewaltige Aufgabe"

Die vielen Toten im Mittelmeer bringen auch die Bundesregierung in Zugzwang

20.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:24 Uhr

Berlin (DK) „Wir werden alles tun, um zu verhindern, dass weiter Opfer im Mittelmeer vor unserer Haustür umkommen auf quälendste Art und Weise“, versichert Bundeskanzlerin am Tag nach der Katastrophe im Mittelmeer. „Das vereinbart sich nicht mit unseren Werten“, sagt die Kanzlerin und kündigt schnelle Hilfen und Konsequenzen an.

Die Anstrengungen zur Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge müssten verstärkt werden. Bereits am Donnerstag wollen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel zu einem Sondergipfel treffen und darüber beraten.

In der Nacht zum Sonntag waren hunderte Passagiere eines gekenterten Flüchtlingsschiffs auf dem Weg von Libyen nach Italien ertrunken. Auch gestern gab es weitere Schiffsunglücke mit vielen Opfern. „Das ist eine Tragödie, die uns sprachlos macht. Und dennoch müssen wir Antworten finden“, sagte Frank-Walter Steinmeier. Doch der Außenminister dämpfte die Erwartungen, reagiert auf die Rufe nach Konsequenzen: „Ganz schnelle Lösungen wird es nicht geben“, erklärte der SPD-Politiker am Rande des Krisentreffens der EU-Außenminister gestern in Luxemburg. „Wir stehen vor einer gewaltigen Aufgabe.“

Trauer, Betroffenheit, Entsetzen, aber auch Ratlosigkeit bei den Parteien und Fraktionen im politischen Berlin nach der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer. „Es ist allen in der Bundesregierung klar, dass gehandelt werden muss“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Kanzlerin sei „tief bestürzt“.

Wie lassen sich solche Katastrophen verhindern? Einigkeit besteht offenbar darüber, ein großes europäisches Seenotrettungsprogramm auf den Weg zu bringen. Bisher hatte die Bundesregierung dies stets mit der Begründung abgelehnt, dass ein solches Programm von den kriminellen Schlepperbanden ausgenutzt und noch mehr Flüchtlinge nach Europa geschleust würden. Jetzt lenkt sogar Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ein: „Die Seenotrettung muss erheblich verbessert werden“, sagte er gestern beim Krisentreffen mit seinen EU-Amtskollegen in Luxemburg. Die EU-Mitgliedsstaaten müssten allerdings künftig noch entschlossener gegen Schleuserbanden vorgehen. Erst in der vergangenen Woche hatte der Minister ein Programm zur Seenotrettung noch Beihilfe zum „Schlepper-Unwesen“ genannt.

Kurswechsel nach der Katastrophe – bereits am Donnerstag dürften die Staats- und Regierungschefs in Brüssel dafür die Weichen stellen. Grundlage der Diskussion soll der gestern in Luxemburg vorgestellte Zehn-Punkte-Plan sein. Er sieht unter anderem die Ausweitung der Seenotrettung vor. Der spektakulärste Vorschlag sind „systematische Anstrengungen, um Boote zu beschlagnahmen und zu zerstören, die von Schleusern benutzt werden“. Laut EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos ist dabei eine „zivil-militärische Operation“ vorgesehen, für die Europa sich offenbar die Zustimmung der UN holen will.