Berlin
Das große Schweigen

Anders als bei Jamaika dringt von den Groko-Sondierungen wenig nach außen

07.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:59 Uhr

Berlin (DK) Nach der ersten Sondierungsrunde lässt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Abend erst einmal auf sich warten. Als er dann kurz vor 20 Uhr im Atrium des Willy-Brandt-Hauses ans Mikrofon tritt, hat er den wartenden Journalisten nicht viel zu berichten. Der Maulkorb, den die Parteispitzen für die schwarz-roten Sondierungsgespräche verhängt haben, wirkt. Man habe vereinbart, "nicht en détail" über die Verhandlungen zu informieren. Schweigen zum Auftakt der Beratungen über eine mögliche große Koalition.

Maulkorb und Nachrichtensperre seit gestern für die Groko-Unterhändler - anders als bei den Jamaika-Verhandlungen soll möglichst nichts nach draußen dringen. Twitter-Nachrichten gelten ebenso als tabu wie Talkshow-Teilnahmen und Durchstechereien von Sondierungspapieren - zwei Unionspolitiker sollen gestern dazu verdonnert worden sein, ihre für den Abend geplanten TV-Auftritte wieder abzusagen.

Es soll möglichst nichts nach außen dringen. Am Ende von Tag eins war es nur so viel: Am Donnerstag werde es ein Ergebnis geben, auf dessen Grundlage dann entschieden werde, ob sich weitere Gespräche lohnten. "Das ist der feste Wille", sagt SPD-Parteimanager Klingbeil. "Wir alle sind uns der Verantwortung bewusst", versichert er. In einem Punkt seien sich die drei Parteichefs zu Beginn einig gewesen: "Dass es ein Weiter so nicht geben kann."

Die Gespräche am ersten Tag seien "ernsthaft", "offen" und "konzentriert" gewesen, man sei gut vorangekommen. "Wir befinden uns in einer neuen Zeit. Und diese neue Zeit braucht eine neue Politik", sagt Klingbeil. Ein "neuer politischer Stil" sei jetzt gefragt, eine neue Politik. Wie die aussehen solle, auch darüber würden die Unterhändler von Union und SPD in den kommenden Tagen beraten.

"Ich glaube, es kann gelingen", sagt Angela Merkel am Morgen vor den Kameras und Mikrofonen, versichert, sie gehe optimistisch in die Gespräche. Doch klingen da auch Zweifel an. Natürlich sei ihr klar, "dass in den nächsten Tagen auch ein Riesenstück Arbeit vor uns liegt", macht die Kanzlerin deutlich, dass sie mit schwierigen Verhandlungen rechnet. Man werde "sehr zügig, sehr intensiv" arbeiten.

Auftakt zu den schwarz-roten Sondierungsgesprächen im Willy-Brandt-Haus: SPD-Chef Martin Schulz empfängt seine Gäste persönlich am gläsernen Eingang der Parteizentrale in Berlin Kreuzberg. "Herzlich Willkommen im Willy-Brandt-Haus", begrüßt er Merkel freundlich vor der Tür und will sie eilig hineinführen. Doch die CDU-Chefin bremst ihn gleich, übernimmt die Regie: "Ein Handshake-Foto machen wir", bestimmt die CDU-Chefin, und beide schlagen ein. Ein symbolischer Händedruck zum Start der Sondierungen, dann geht es an den Verhandlungstisch. Start frei für den zweiten Versuch, eine neue Regierung zu bilden, 105 Tage nach der Bundestagswahl.

"Wir ziehen keine roten Linien, aber wir wollen möglichst viel rote Politik in Deutschland umsetzen", stellt Gastgeber Schulz gleich zu Beginn klar und lächelt milde. In diesem Geist werde man miteinander reden. Schnell solle es jetzt gehen, in den nächsten fünf Tagen klar werden, ob es für Koalitionsverhandlungen reicht oder nicht, drängt der SPD-Chef auf Einhaltung des Zeitplans. Er sei sicher, dass der Wille zum "konstruktiven Dialog" auch bei CDU und CSU vorhanden sei.

Am Sonntagmorgen kommt zunächst die Sechser-Runde der Partei- und Fraktionschefs zusammen, trifft sich zur Vorbereitung im Büro des SPD-Parteivorsitzenden Schulz im fünften Stock des Willy-Brandt-Hauses. Zwei Stunden später fällt der offizielle Startschuss, nehmen die 39 Unterhändler das erste Mal am Verhandlungstisch im großen Hans-Jochen-Vogel-Saal im Dachgeschoss der Parteizentrale Platz. Die Wahl des Tagungsortes zu Beginn und auch zum Abschluss ist ein Entgegenkommen der Union an die SPD. Verhandlungen auf Augenhöhe, so das Signal vor allem auch an die SPD-Basis, die am Ende grünes Licht für eine große Koalition geben muss.

"Spannende fünf Tage", erwartet CSU-Chef Seehofer. "Wir müssen uns verständigen", appelliert er, "die Dinge zu einem guten Ende zu bringen". Doch werde die CSU ihr Profil "nicht verwischen". Das Erfolgsrezept für die nächsten Tage: "Weniger reden und mehr arbeiten", empfiehlt Bayerns Ministerpräsident den Unterhändlern. Er selbst will sich jedenfalls daran halten.

Klappt es wie schon vor vier Jahren mit der Bildung einer großen Koalition? Oder scheitern nach Jamaika auch die schwarz-roten Sondierungen? Für die Kanzlerin, aber auch für Schulz und den Seehofer geht es um alles. Gelingt die Regierungsbildung auch im zweiten Anlauf nicht, dürften die Tage der Parteispitzen gezählt, sich ihre politische Karriere dem Ende zuneigen. "Wenn das schiefgeht, ist meine politische Karriere zu Ende", soll Schulz nach bei einem Vorbereitungstreffen von Union und SPD erklärt haben. Und CSU-Chef Seehofer habe erwidert: "Nicht nur deine."