Berlin
Auf Kosten der Kunden?

Regierung schnürt Hilfspaket für Lebensversicherer – und stößt auf scharfe Kritik

10.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:58 Uhr

Berlin (DK) Milliarden-Einbußen für Verbraucher mit Lebensversicherung? Die Bundesregierung will angesichts der aktuellen Niedrigzinsen ein Hilfspaket für Lebensversicherer schnüren und plant dafür offenbar Einschnitte bei bestehenden Verträgen. Es gebe „Handlungsbedarf“, ließ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern über eine Sprecherin ausrichten.

Es gehe um ein „ausbalanciertes Maßnahmenpaket“ mit einem fairen Ausgleich zwischen Kunden und Versicherern.

Die Bundesregierung erwägt offenbar, die Beteiligung an den sogenannten Bewertungsreserven – den Kursgewinnen ihrer Kapitalanlagen – zu streichen. Diese könnte bei größeren Policen zu Einbußen bis zu 15 000 Euro führen. Außerdem sind eine Absenkung des Garantiezinses für Lebensversicherungen sowie Auflagen für Provisionen im Gespräch. Eine Absenkung des bislang garantierten Zinses von derzeit noch 1,75 Prozent könnte dazu führen, dass bei Lebensversicherungen nicht einmal mehr die Inflationsentwicklung ausgeglichen würde.

Ein ähnliches, bereits im Bundestag beschlossenes Gesetz war vor einem Jahr im Bundesrat gescheitert. Entscheidungen seien noch nicht gefallen, hieß es gestern aus dem Bundesfinanzministerium zum neuen Vorstoß. Noch in diesem Jahr soll ein Gesetzentwurf unter Dach und Fach gebracht werden. Doch die Reaktionen auf die Überlegungen fallen bereits heftig aus.

Die SPD warnt vor einem Kahlschlag zulasten der Bestandskunden. „Eine vollständige Streichung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsrücklagen werden wir nicht hinnehmen“, erklärte Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Scharfe Kritik kommt von Verbraucherschützern. „Die Bundesregierung verhält sich hysterisch. Sie folgt dem lauten Schreien der Versicherungswirtschaft“, erklärte Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten, im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Die Pläne seien „ein Schlag ins Gesicht der Versicherten“.

Einschnitte bei der Beteiligung an den Bewertungsreserven würden zunächst die Kunden treffen, deren Verträge auslaufen oder die sie gekündigt haben. Für diese Regelung könnte bereits das Datum des Kabinettsbeschlusses zum Stichtag erklärt werden. Bislang werden Versicherte zur Hälfte an den Bewertungsreserven beteiligt.

Die Versicherungsbranche ging gestern in die Offensive und verteidigte die Pläne. Die anhaltenden Niedrigzinsen hätten zu einer starken Aufblähung der Buchwerte ihrer festverzinslichen Papiere geführt. „Die Versicherer müssen deshalb sehr hohe Ausschüttungen an wenige leisten“, so Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. „Der Versichertengemeinschaft gehen so heute Mittel verloren, die fest für die Zukunft eingeplant sind.“ Im Klartext: Die Branche warnt vor geringeren Renditen und Gewinnbeteiligungen für Kunden, deren Verträge erst später auslaufen.

Verbraucherschützer Kleinlein erinnert daran, dass das Bundesverfassungsgericht „eine angemessene Beteiligung“ der Versicherten an den Bewertungsreserven verlangt habe. „Alles andere ist Enteignung“, so der Chef des Bundes der Versicherten. „Es geht hier um Milliarden, die den Versicherten gehören.“ Überlegungen zur Absenkung des Garantiezinses von aktuell 1,75 auf 1,25 Prozent erteilte Kleinlein eine Absage: „Das wäre der Tod der Lebensversicherung klassischer Prägung.“

Die Linkspartei kritisierte die Pläne der Koalition ebenfalls. „Jetzt sollen die Versicherten für die Bankenrettung bluten. Wir brauchen aber eine Schutzklausel für die private Altersvorsorge“, erklärte Parteichefin Katja Kipping im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. „Enteignung durch Inflation ist für die Rentner von morgen eine reale Gefahr.“ Deshalb müsse es ein Gesetz geben, wonach die jährliche Verzinsung von Altersvorsorgeanlagen „nicht unter der Inflationsrate liegen“ dürfe.