Berlin
Arbeitsministerin Nahles beklagt Ungerechtigkeit

Armuts- und Reichtumsbericht: Vermögen resultieren immer öfter aus Erbschaften Schere bei den Einkommen geht weiter auseinander

23.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:26 Uhr

Berlin (DK) Es gebe eine "verfestigte Ungleichheit bei den Vermögen", ist sich Andrea Nahles sicher. Die Zahlen vom Arbeitsmarkt seien zwar gut, aber nur bei oberflächlicher Betrachtung. Bei den Einkommen der unteren 40 Prozent gebe es verglichen mit Mitte der 90er-Jahre real sogar einen Rückgang.

Die Bundesarbeitsministerin präsentiert gestern Befunde und Einschätzungen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, in dem vor einer sozialen Spaltung der Gesellschaft gewarnt wird.

Wie Vermögen, Einkommen und auch Bildungschancen in Deutschland verteilt sind - ein heikles Thema im Bundestagswahljahr. Wohl auch deshalb war zwischen Arbeitsministerium und Kanzleramt lange um einige Formulierungen gerungen worden. Nun hat Nahles das Okay aus der Regierungszentrale, kann ihren Bericht mit anderen Ministerien abstimmen, und es wird klar, dass sie sich für den Wahlkampf warmläuft.

Die Arbeitsministerin lässt mit ihrem Auftritt gestern keinen Zweifel daran, dass sie in dem Dokument eine Steilvorlage für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sieht. Der stellt bereits seit Wochen das Thema soziale Gerechtigkeit ins Schaufenster.

Die Zahlen aus dem Arbeitsministerium zeigen zwar, dass die Armutsgefährdungsquote - der Anteil derer, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens erhalten - seit 2005 relativ konstant geblieben ist und derzeit bei 15 bis 17 Prozent liegt. Besonders betroffen seien Arbeitslose, Alleinerziehende, Geringqualifizierte und Migranten. Um die Armutsgefährdungsquote aber zu senken, müssten die unteren Einkommen überproportional steigen. Dass sich die Schere bei den Einkommen weiter öffnet, Geringverdiener real weniger haben, Besserverdienende dagegen mehr, ist aus Nahles' Sicht ein zentraler Befund.

Auch beim Thema Vermögen liefert die Untersuchung Befunde. Demnach verfügen die zehn Prozent der Haushalte in Deutschland mit den höchsten Vermögen über mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens. Zwei Drittel gaben in einer Befragung für den Bericht an, dass eine Schenkung oder Erbschaft entscheidend für den Aufbau ihres Vermögens gewesen sei. "Wenn sich harte Arbeit für die, die klein anfangen müssen, kaum auszahlt, und hohe Vermögen häufig ohne eigene Leistung zustande kommen, ist das nicht nur für die Betroffenen ungerecht - es schadet uns allen", so Nahles.

Eine zwischen den Koalitionspartner besonders umstrittene Passage wurde aus dem Bericht getilgt. Dabei geht es um Studienergebnisse zum Zusammenhang zwischen ökonomischem und politischem Abgehängtsein. Die ursprüngliche Formulierung, wonach Menschen mit mehr Geld mehr Einfluss auf politische Entscheidungen hätten, als Einkommensschwache, findet sich nun nicht mehr in dem Dokument.