Wahrheit per Brechstange

16.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:04 Uhr

Die Europäische Union ist bei ihrer offiziellen Flüchtlingspolitik längst gescheitert – aber immer noch hält sie an dem dysfunktionalen Dublin-System fest.

Jenes Land, in dem ein Flüchtender erstmals europäischen Boden betritt, ist   demnach  für ihn zuständig. Da haben Mittelmeer-Anrainer  wie Italien   den Schwarzen Peter. 
Mit der politischen Brechstange hat nun die neue, rechtspopulistische  italienische Regierung eine vergleichsweise unkomplizierte Lösung erzwungen: Man ließ knapp 450 übers Meer Geflüchtete so lange nicht vom Schiff, bis andere EU-Länder endlich bereit waren, jeweils ein  paar Dutzend der armen Menschen übernehmen.  
 
Selbstverständlich ist das eine  zynische Vorgehensweise auf dem Rücken der Ärmsten der Armen. Aber der politische Erfolg ist unübersehbar. Selten ist der EU die verfahrene Situation so brutal vor Augen geführt worden. Siehe da: Es kommt Bewegung in die Debatte.   Keiner kann mehr Augen und Ohren vor dem Problem  verschließen.
 
Das erste, was der EU-Kommission nun dazu einfällt, ist die nölende Kritik, diese Hau-Ruck-Lösung des Problems sei „langfristig nicht nachhaltig“. Na und? Wie sich in den vergangenen Jahren vor den Augen der Weltöffentlichkeit gezeigt hat, ist auch  das alte Dublin-System alles andere als „nachhaltig“. Schlimmer noch: Die bisherige Regel  ist  so unsolidarisch, dass sie das historisch einmalige Projekt Europäische Union  ernsthaft gefährden kann.  Höchste Zeit, dass  das allen klar wird.  Notfalls auch per Brechstange.