Solidarität erzwingen?

Kommentar

07.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:06 Uhr

Kann man Solidarität und Hilfsbereitschaft erzwingen? Natürlich kann man das. So droht das deutsche Strafgesetzbuch jedem mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, der in einem Notfall nicht erforderliche und zumutbare Hilfe leistet.

Die EU-Kommission will dieses Prinzip jetzt gegen Polen, Ungarn und Tschechien angewandt sehen.

Der Notfall war 2015 da, als die sogenannte Flüchtlingskrise Griechenland und Italien mit voller Wucht traf. Ausgerechnet diese beiden EU-Staaten, von denen zumindest einer auch zuvor schon vom Konkurs bedroht war. Um zu helfen, sollten 120 000 von den in den beiden Südländern gestrandeten Menschen auf die anderen EU-Partnerstaaten verteilt werden.

Nach Polen sollten nach dem ausgehandelten Schlüssel etwa 6000, nach Ungarn lediglich gut tausend Flüchtlinge. Bis heute haben beide aufgenommen: null. Tschechien zeigte nur anfangs etwas mehr Kooperationsbereitschaft. Denn zwar sind alle drei Empfängerländer und nehmen stets gerne alles, was ihnen die EU bieten kann. Nicht aber hilfsbedürftige Menschen. Und das von Ländern, die sich ständig als Speerspitze des christlichen Abendlandes ausgeben. Das würde aber nur dann stimmen, wenn Egoismus und Hartherzigkeit christliche Kardinaltugenden wären.

Dabei ist natürlich die ganze EU alles andere als eine humanitäre Einrichtung. Auch die andern Staaten haben ihre Verpflichtungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen nicht erfüllt. Die "Grande Nation" Frankreich etwa hat in zwei Jahren nur 10 000 einreisen lassen. Aber anders als Polen, Ungarn und Tschechien haben die restlichen EU-Länder wenigstens so getan, als würden sie sich um Solidarität mit Griechenland und Italien bemühen und um das Schicksal verzweifelter Menschen in Not. Die drei Ost-Staaten dagegen haben kaltschnäuzig den Regelverstoß und die unterlassene Hilfeleistung zum Prinzip ihrer Regierungspolitik erhoben. Wenn sie vom Europäischen Gerichtshof abgestraft werden, wäre das höchst erfreulich.