Schamgrenzen der Kunst

Von Jesko Schulze-Reimpell

16.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:33 Uhr

Die Provokation ist das Lebenselixier des Rap. Gerade mit anstößigen Texten, ob sexistisch, antisemitisch, oder homophob, lassen sich Erfolge zimmern.

So wundert es kaum, dass erneut deutsche Rapper, diesmal Farid Bang und Kollegah, mit einem Songtext Proteste auslösen - und zuvor damit gigantische Verkaufserlöse erzielten. Allein auf dem Streamingdienst Spotify wurde der umstrittene Song "Jung, brutal, gutaussehend" im April bisher mehr als 1,5 Millionen-mal aufgerufen.

Erneut wird Kritik, die etwa von Punker Campino während der Echo-Nacht geäußert wurde, nicht angenommen. Die Rapper ziehen sich auf einen vermeintlich unpolitischen Standpunkt zurück: "Also, ich will keine Politik-Debatte darum machen", meinte Kollegah Da machen es sich die Musiker ziemlich einfach.

Jetzt haben prominente Künstler ihren Ärger über die Entscheidung der Echo-Jury Luft gemacht und teilweise ihre Preise zurückgegeben. Sie haben recht: Der unverholene Antisemitismus von Farid Bang und Kollegah ist peinlich. Er zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, was in Deutschland bereits wieder möglich ist.

Es geht dabei keineswegs um Kunstfreiheit. Die sollte gewahrt bleiben. Aber muss eine derartige Geschmacklosigkeit wie der Song von Farid Bang und Kollegah auch noch mit dem wichtigsten deutschen Musikpreis geehrt werden? Die immer noch relativ ehrenwerte Institution des Echo bringt sich damit selbst in Verruf.

Provokation muss erlaubt sein. Aber ebenso wichtig ist ein gesellschaftlicher Diskurs darüber und überhaupt über Schamgrenzen des künstlerisch Erträglichen. Daher ist der Protest der Künstler gegen die beiden Deutsch-Rapper ein gutes Zeichen für Deutschland.