Licht und Schatten

Kommentar

14.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr

"Die deutsche Wirtschaft steht unter Volldampf." Die frohe Kunde des ifo-Chefökonomen Clemens Fuest findet in den aktuellen Wachstumszahlen des Statistischen Bundesamtes eine eindrucksvolle Bestätigung. Export, Investitionen, privater Verbrauch - alles im grünen Bereich.

Hinzu kommen ein florierender Arbeitsmarkt, eine niedrige Inflation sowie generell wieder steigende Nettoeinkommen. Die Liste der Positivmeldungen ließe sich beliebig fortsetzen. Deutschland im Jahre 2017 - eine einzige Erfolgsstory. Wirklich?

Besonders eine Meldung lässt hellhörig werden: Die "Generation Mitte" der 30- bis 59-Jährigen ist zwar mit ihren Lebensumständen sehr zufrieden. Dennoch treiben die Leistungsträger der Gesellschaft große Sorgen um. Neben dem wachsenden Unterschied zwischen Arm und Reich zählen dazu die Furcht vor Altersarmut sowie der Umgang mit Pflegebedürftigen.

Und die Alarmsignale werden deutlicher: Die Immobilienpreise steigen vor allem in den prosperierenden Ballungsgebieten immer rasanter, bezahlbarer Wohnraum wird dort für viele Haushalte zunehmend rar. Kein Wunder also, dass die Zahl der Menschen ohne Dach über dem Kopf ansteigt. Bedenklich ist auch, dass ein Drittel der Bundesbürger heute - bei insgesamt wachsenden Vermögen - nicht einmal über so viel finanzielle Reserven verfügt, um bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit den Lebensstandard halten zu können. Da erstaunt es auch kaum noch, wenn heutzutage knapp zehn Prozent der Beschäftigten armutsgefährdet sind und die Überschuldung gerade in der Mitte der Gesellschaft deutlich zunimmt.

Es ist also etwas faul im Staate D. Und das ist die immer weiter auseinanderklaffende Einkommens- und Vermögensschere. Es mag ja einiges dran sein am Mantra der Wirtschaftsliberalen, jeder Job sei besser als Arbeitslosigkeit. Nur müssen die Jobs dann auch so bezahlt sein, dass sie für ein auskömmliches Leben reichen. Das Problem ist nur, dass in den zurückliegenden Jahren dank der helfenden Hand des Gesetzgebers die relativ gering entlohnten Teilzeitstellen, befristeten Jobs und atypischen Beschäftigungsverhältnisse rasant zugenommen haben.

Damit ist aber auch sozialer Sprengstoff entstanden, der sich - siehe den Ausgang der jüngsten Bundestagswahl - längst politisch auszuwirken beginnt. Wenn hier die kommende Regierungskoalition nicht deutlich gegensteuert, nützen die schönsten Wachstumszahlen nichts. Denn politische Verwerfungen können rasch dazu führen, dass sich Wachstum ins Gegenteil verkehrt - zum Schaden aller.