Ingolstadt
Mut zur Debatte

Ein Kommentar von Politikredakteur Johannes Greiner

10.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:03 Uhr

Nein, der UN-Migrationspakt ist nicht insgeheim doch rechtlich bindend. Er wird keine Flüchtlingswelle auslösen, schafft kein neues Recht auf Einwanderung und beinhaltet auch keine Klausel, die Kritikern den Mund verbietet. All diese Sorgen und Bedenken bis hin zu den glatten Lügen hätte die Bundesregierung frühzeitig ernst nehmen und ausführlich zur Debatte stellen müssen.

Dass sie das nicht rechtzeitig getan hat, ist der eigentliche Pferdefuß an dem Abkommen. So entstand erst Raum für den Verdacht, da solle vielleicht etwas verheimlicht werden. Statt selbst in die Offensive zu gehen, ließen sich Union und SPD von der AfD eine Debatte aufzwingen, in der sie von Anfang an in der Defensive waren, die sie im Endeffekt auch nicht mehr gewinnen konnten.

Dabei hätte die Bundesregierung spätestens seit der TTIP-Debatte gewarnt sein können. Früher waren internationale Handelsabkommen eine Spielwiese für Experten. Doch die Welt ist kleiner geworden. In einer Zeit, in der ein paar US-Konzerne unser Kommunikationsverhalten bestimmen, wir mit einem Mausklick in China einkaufen und Flüchtlinge nicht nur Fernsehbilder sind, sondern in der Nachbarschaft wohnen, wächst eben auch der Erklärungs- und Diskussionsbedarf für internationale Verträge.

Solche Debatten mögen unangenehm sein, angesichts der oft sperrigen Thematik auch schwer zu führen. Aber in einer mündigen Demokratie in einer eng vernetzten Welt führt kein Weg daran vorbei. Im Gegenteil, sie werden immer wichtiger angesichts der erstarkenden Gegenbewegung nationaler Egoismen, die wie Donald Trump internationale Abmachungen generell infrage stellen.

Die Vorstellung, globale Phänomene wie die Arbeitsmigration könnten irgendwie allein im eigenen Vorgärtchen gelöst werden, ist natürlich naiv. Deshalb können die Gegner des Migrationspakts auch nicht sagen, was ohne die Vereinbarung eigentlich besser sein soll. Geht es Bauarbeitern in den Arabischen Emiraten, Hausmädchen in Hongkong oder Erntehelfern in Süditalien wirklich besser, wenn sie nicht wenigstens auf einen Grundbestand gesicherter Rechte zurückgreifen können?