Huldvoller Vollstrecker

Von Richard Auer

31.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:46 Uhr

So etwas nennt man wohl eine "politische Steilvorlage": Eine Online-Umfrage der EU zur Zukunft der Zeitumstellung geht denkbar eindeutig aus.

Die Deutschen wollen dauerhaft ganzjährig die Sommerzeit. Und während diverse EU-Bürokraten noch bekunden, das habe rechtlich gar nichts zu bedeuten, und während Lobbyisten reflexhaft katastrophale Konsequenzen an die Wand malen, gibt nun der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den huldvollen Vollstrecker des Volkswillens. Sein Motto: Wir machen das! Seht her, die so oft als arrogant und abgehoben geschmähte EU ist bürgernah und in der Lage, dem einfachen Volk seine Wünsche von den Augen abzulesen.

Selten war es für die EU so einfach, ein solches Signal auszusenden. Dass sie es dann auch tatsächlich tut, ist trotzdem keine Selbstverständlichkeit - üblicherweise wäre zu erwarten, dass nun erst hinter verschlossenen Türen langatmige Analysen getätigt werden, mit ungewissem Ausgang.

Aber im Zeitalter des Brexit erkennt auch Juncker, dass der EU ein kleiner Popularitätsschub nicht schaden könnte. Bald sind Wahlen zum neuen Europaparlament. Und alle Kritiker, denen Europa zu schwerfällig, zu bürokratisch und undurchschaubar erscheint, können nun sagen: "Na also! Geht doch! "

Bleibt zu hoffen, dass all dieses auch tatsächlich und rasch umgesetzt wird. Erst braucht es einen entsprechender Gesetzesvorschlag, dann müssen die EU-Kommission und die EU-Staaten zustimmen. . . Und dann? Dann haben wir hoffentlich die ewige Sommerzeit. Nicht, weil sie das wichtigste Thema der Welt wäre. Sondern weil die EU sonst einen schweren Image-Schaden nähme. Und zwar auch bei Bürgern, die Online-Abstimmungen für albern halten.