KOMMENTARE
Harakiri zum Wahlkampfauftakt

Von Christian Tamm

06.02.2020 | Stand 02.12.2020, 12:01 Uhr

Donald Trump ist ganz offiziell freigesprochen.

Der republikanisch dominierte US-Senat sieht - ganz anders als das demokratisch gefärbte Repräsentantenhaus - im Treiben des Mannes im Weißen Haus keinerlei Verfehlungen, die seinem Amt, der Nation oder sonst irgendwem schaden können. Das soll hier mal dahingestellt bleiben. Über die Amtsführung Trumps und sein Verständnis von Demokratie, Diplomatie oder Partnerschaft wurde und wird schließlich genug debattiert. Wichtig ist nur, dass durch die Abstimmung im Senat ein neuer Fakt geschaffen worden ist: Donald Trump, ohnehin bereits der große Favorit für den Urnengang im Herbst, kann mit noch breiterer Brust in den Wahlkampf ziehen.

Wo ein Sieger, da auch Verlierer: Die mit Abstand größte Verliererin in einem Spiel, das sie ohnehin nie gewinnen konnte, ist Nancy Pelosi. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses gehört ohne jeden Zweifel zu den beeindruckendsten Figuren im amerikanischen Politzirkus. Die inzwischen 79-Jährige kämpft seit jeher für ihre Überzeugungen und gilt als kluge Taktikerin. Umso unverständlicher, dass sie dem Druck ihrer Demokratischen Partei nachgegeben und gegen ihre (vollkommen richtige) Einschätzung der Einleitung eines Impeachment-Verfahrens gegen den US-Präsidenten zugestimmt hat.

Pelosi warnte über Monate hinweg beharrlich, das Verhalten Trumps und seine Politik durch ein gescheitertes Amtsenthebungsverfahren noch zu legitimieren. Es musste jedem klar sein, dass die Republikaner im Senat nie gegen ihren Präsidenten stimmen würden - egal, wie erdrückend die Beweise gegen Trump auch sein mögen. Dieses Verfahren einzuleiten, war schlicht und einfach Harakiri zum Wahlkampfauftakt.

Vielleicht war es diese Einsicht, die Pelosi zu einer peinlichen Geste getrieben hat: Dass die sonst eher hölzern wirkende Politikerin ausgerechnet einen Tag vor der Entscheidung im Senat das Menscheln angefangen und wutschnaubend vor aller Welt Trumps Manuskript zur "Rede zur Lage der Nation" zerrissen hat, war sicher nicht besonders clever und schon gar nicht hilfreich. Es hat in konservativen Kreisen den Eindruck verstärkt, sie führe einen verzweifelten Feldzug gegen ihren Erzfeind und betreibe eine "Hexenjagd", wie der Präsident das Verfahren bezeichnete.

Neben Pelosi verliert auch die Demokratische Partei. Ihr Bewerberfeld um die Kandidatur auf die US-Präsidentschaft ist ohnehin kein beeindruckendes. Es besteht letztlich aus Politveteranen wie Joe Biden und dem gesundheitlich angeschlagenen Bernie Sanders sowie aus vielen Gesichtern der zweiten oder gar dritten Reihe, die teils nicht einmal bei parteiinternen TV-Runden mitmachen dürfen. Keiner von ihnen hätte es leicht gegen Trump und seine eingeschworene Anhängerschaft, zu der sogar ganze Medienbetriebe gezählt werden können. Und nun ist ihr Kontrahent schier übermächtig geworden, hat er doch den Rücken frei.

Die Demokraten haben sicherlich gehofft, dem Milliardär wenigstens schaden zu können. Doch selbst das hat wohl nicht geklappt. In den nächsten Monaten dürfen sie nicht mit der schlimmen Pleite hadern, sondern müssen sehr konzentriert arbeiten. Kindische Schlammschlachten und das Rumreiten auf den eventuellen Verfehlungen des Präsidenten haben sie jedenfalls nicht ein Stück weitergebracht.