Die gleiche Masche

Kommentar zum Streit zwischen Seehofer und Merkel

13.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:47 Uhr

 

Man stelle sich vor, es ist Integrationsgipfel und der zuständige Bundesinnenminister kommt einfach nicht. Horst Seehofer scheute die gestrige Veranstaltung und begründete dies mit der Teilnahme einer türkischstämmigen Journalistin, die seinen Heimatbegriff mit jenem der Nazis in Verbindung gebracht haben soll. Ist das glaubhaft? Wahrscheinlicher ist doch, dass die Teilnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel dem CSU-Chef wesentlich mehr auf die Nerven gegangen ist.

Denn der unionsinterne Streit um Seehofers "Masterplan Migration" und damit um seinen Vorschlag, Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückzuweisen, wird schärfer. CDU-Chefin Merkel will diesen Kurs nicht mittragen und bevorzugt eine europäische Lösung - etwa den effektiveren Schutz der EU-Außengrenzen. Obwohl Seehofer sicher eine gewisse Stimmung im Volk trifft, hat Merkel nicht Unrecht. Ein deutscher Alleingang würde ein verheerendes Signal an den Rest der EU senden.

Schon geistert die Furcht vor dem Ende der Groko durch Berlin. Unmöglich ist das nicht. Das Verhältnis von Merkel und Seehofer wird nie über eine Zweckehe hinausgehen - und der Ingolstädter muss aufpassen, nicht zu überreizen. Schon im Bundestagswahlkampf probte er mit einer bizarren Debatte um Obergrenzen und Begrifflichkeiten den Aufstand. Damals wollte Seehofer Kante zeigen, um Wähler der AfD vom Kurs der Christsozialen zu überzeugen. Heute wissen wir, die Aktion war ein lauter Schlag ins Wasser. Die Schwesterparteien mussten mit miesen Ergebnissen leben; die AfD aber feierte. Der CSU-Chef stand dem Erfolg der Union im Weg.

Nun rückt die Landtagswahl näher und das Spiel beginnt anscheinend von vorn. Der 14. Oktober ist für die CSU von immenser Bedeutung, ihr ordnet die Partei alles unter - ja selbst den fragilen Berliner Frieden. Aus Sicht der Partei mag das Sinn ergeben. Schließlich ist die Alleinherrschaft in München gefährdet und die AfD gewinnt noch immer an Zustimmung. Wie es aber allen Strategen der CSU seit Jahren entgehen kann, dass der Asylknatsch echte Lösungen ausbremst und so der AfD in die Karten spielt, ist nicht zu verstehen.
 

Christian Tamm