Verurteilt ohne Gericht

Kommentar

28.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:01 Uhr
Das Klinikum in Ingolstadt. −Foto: Hauser

Man kann es nicht oft genug erwähnen. Auch für einen Untersuchungshäftling, wie es Heribert Fastenmeier seit dem 22. April war, gilt die Unschuldsvermutung. Sie ist eines der Grundprinzipien des Rechtsstaats.

Es ist Aufgabe eines Gerichts, über schuldig und nicht schuldig zu urteilen. Über Heribert Fastenmeier hatte noch kein Gericht ein Urteil gefällt, und doch war der ehemalige Geschäftsführer des Ingolstädter Klinikums ab dem ersten Tag seiner U-Haft als Täter abgestempelt.

Zugegeben, die Vorwürfe waren massiv. Durch Untreue, Vorteilsannahme und Bestechlichkeit soll dem Klinikum ein Schaden im niedrigen siebenstelligen Bereich entstanden sein. Das Gesetz sieht für solche Vergehen mehrjährige Haftstrafen vor. Was Fastenmeier laut Anklage nicht getan hat: ein sogenanntes Kapitalverbrechen begangen. Er hat keinem Menschen körperlichen Schaden zugefügt.

Deshalb haben es viele Beobachter auch nicht verstanden, weshalb Fastenmeier die Härte der U-Haft so kompromisslos erfahren musste, selbst als der Staatsanwalt Anklage erhoben hatte. Eine Fluchtgefahr hätte durch strenge Auflagen ausgeschlossen werden können. Juristisch mag das Vorgehen vollkommen korrekt und üblich sein, die Frage der Verhältnismäßigkeit sei dennoch erlaubt.

Fastenmeier hat am Mittwoch seinem Leben ein Ende gesetzt. Spekulationen über den Grund dafür verbieten sich aus Pietätsgründen. Die Klinikumsaffäre ist indes noch längst nicht aufgeklärt. Man hat das mulmige Gefühl, dass der Sumpf noch viel tiefer ist.