Ingolstadt
Audis Offenbarungseid

Ein Kommentar von Carsten Rost

14.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:14 Uhr
Bram Schot, Vorsitzender des Vorstands der Audi AG und kommissarischer Vorstand Vertrieb und Marketing, spricht. −Foto: Armin Weigel

Was der Audi-Vorstand am Donnerstag bei der Bilanzpressekonferenz präsentierte, war nichts anderes als ein Offenbarungseid: Absatz, Umsatz und vor allem der Gewinn auf Talfahrt, das Image durch die nun schon mehr als drei Jahre währende Diesel-Betrugsaffäre gefährlich beschädigt und die Aussichten für das laufende Jahr alles andere als beruhigend. Im Gegenteil: Audi steckt bis zum Hals im Morast einer zum größten Teil selbst verschuldeten Krise - der alte Glanz ist dahin. Und es wird ein harter und langer Weg zurück auf die Straße des Erfolgs.

Dabei stellt sich die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Gewiss, der Skandal um die manipulierten Diesel-Abgaswerte lässt sich leicht als Auslöser des Desasters ansehen. Nur: Die Ursachen liegen tiefer und weiter zurück - begründet vor allem in der höchst fragwürdigen, von den VW-Imperatoren Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn geprägten Unternehmenskultur des Wolfsburger Konzerns. Wo Hybris und Starrsinn das Regiment führten, wurde Unterwürfigkeit zum Überlebensprinzip - und gebar die Furcht vor den Herrschern in Vorstand und Aufsichtsrat nebst ihrer Entourage dann in den Niederungen des Konzerns die kriminelle Energie, welche wiederum eine Affäre begründete, wie sie in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bislang einmalig ist.

Zudem wurden - ganz nach dem Motto: "Der Diesel ist die Zukunft" - Zukunftsthemen wie E-Mobilität oder Wasserstoffantrieb in den Entwicklungsabteilungen weitgehend aufs Nebengleis geschoben. Jetzt muss auf Teufel komm raus in kürzester Zeit aufgeholt werden, was über Jahre versäumt wurde - mit allen bitteren Konsequenzen für die Geschäftszahlen und nicht zuletzt die Beschäftigten.

Vor diesem Hintergrund klingt die jüngst von VW-Miteigentümer Wolfgang Porsche geäußerte Kritik, Audi habe "Speck angesetzt" und müsse rentabler werden, etwas wohlfeil. Da müssen schon ein paar Fragen erlaubt sein: Warum wurde, als der vorrangig in Ingolstadt erfundene Diesel-Betrug längst ruchbar war, immer noch an Rupert Stadler als Firmenchef festgehalten? Wie konnte aus Audi dieses aufgeblasene, komplexe, kostenintensive und immer schwieriger zu steuernde Konglomerat entstehen? Wer hat denn all die Fehlentwicklungen als Aufsichtsrat mit abgenickt?

Also: Den Aufräumarbeiten dürfen jetzt nicht nur die normalen Audianer zum Opfer fallen. Da müssen noch ganz andere Leute in Management und Kontrollgremium gehen - aber bitte ohne Millionenabfindungen.
 

Carsten Rost